Der Mann fürs Grobe stürzt - wie es für die spanische Regierung nach dem Maskenskandal weitergeht

José Luís Ábalos war jahrelang ein führender Kopf der Sozialisten im Kabinett von Pedro Sánchez. Seine nach wie vor ungeklärte Verstrickung in einen Deal mit Masken zur Bekämpfung der Pandemie kostet ihn nun seinen Sitz in der Fraktion. Ausgelöst hat den Skandal ein enger Berater des Politikers

José Luis Ábalos.

José Luis Ábalos. / Europapress

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Pedro Sánchez unterstreicht fast bei jeder Gelegenheit eine der vermeintlichen Errungenschaften seiner mehr als fünfjährigen Amtszeit, die bei all den Krisen und Kontroversen oft untergeht. „Wir sind an die Regierung gekommen, um die Korruption auszurotten“, erklärte der spanische Ministerpräsident am Mittwoch bei der Fragestunde im Unterhaus. Der Sozialist stürzte im Juni 2018 den Konservativen Mariano Rajoy durch ein konstruktives Misstrauensvotum, ausgelöst durch ein Gerichtsurteil über die jahrelange illegale Finanzierung der Volkspartei PP.

Nun steht Sánchez erstmals selbst vor einem ernsten Korruptionsfall in den eigenen Reihen. Ein enger Mitarbeiter des früheren sozialistischen Verkehrsministers José Luis Ábalos wurde im Zuge der Ermittlungen um den Verkauf von Masken und anderem Material nach Ausbruch der Pandemie verhaftet. Koldo García soll einem Ring Zugang zu öffentlichen Stellen verschafft und dafür Kommissionen kassiert haben. Ábalos, einst einer der starken Männer bei den Sozialisten und eine entscheidende Stütze für Sánchez, weigert sich bislang, sein Abgeordnetenmandat abzugeben. Der Ministerpräsident hatte den Parteifreund im Juli 2021 als Minister abgesetzt.

Gefundenes Fressen für die PP

Für die Opposition ist der Korruptionsskandal bereits zum „Fall Sánchez“ geworden, obwohl die Ermittler bislang noch nicht einmal Ábalos im Visier haben. „Es wird gegen ihre Regierung und ihre Partei ermittelt“, behauptete der Vorsitzende der PP, Alberto Núñez Feijóo, am Mittwoch (28.2.) im Parlament. „Sie wussten davon und haben das mehr als drei Jahre lang verdeckt“, lautete der Vorwurf des Oppositionsführers an Sánchez.

Wie in anderen Ländern nutzten auch in Spanien skrupellose Geschäftsleute und Politiker die Corona-Pandemie aus, als die Gesundheitsämter überall verzweifelt Schutzmasken kauften, von wem auch immer. Koldo García schlachtete dafür seine hervorragenden Kontakte im Regierungslager aus. Der großgewachsene stämmige Mann war einst Türsteher eines Bordells in Navarra, bevor er als Fahrer ins Ministerium nach Madrid geholt wurde. Er gewann schnell das Vertrauen von Ábalos, der ihn zu einem seiner engsten Berater machte und weitere Familienmitglieder einstellte. García wurde gar in den Verwaltungsrat der staatlichen Eisenbahngesellschaft Renfe bestellt, obwohl seine Qualifikationen für den Posten mehr als zweifelhaft waren.

Nach Ausbruch der Pandemie soll García als Vermittler für die Firma Soluciones de Gestión y Apoyo a Empresas S. L. gewirkt und dafür bezahlt worden sein. Das Unternehmen machte 54 Millionen Euro Umsatz mit dem Verkauf von teils mangelhaftem Material an die öffentliche Verwaltung, darunter auch die damalige sozialistische Regierung der Balearen. García erwarb danach über Mittelsmänner drei Immobilien in Benidorm.

Weitere Fälle

Es war nicht der einzige Skandal dieser Art im turbulenten ersten Pandemie-Jahr. In Madrid wurde bekannt, dass der Bruder der konservativen Regierungschefin Isabel Díaz Ayuso für die Vermittlung beim Verkauf von Masken eine Provision von 234.000 Euro erhalten hatte. Obwohl die involvierte Firma keinerlei vorherige Erfahrung im Sanitätsbereich vorwies, blieb der Fall ohne juristische Konsequenzen. Dafür waren die politischen Folgen umso größer. Der damalige Vorsitzende der PP, Pablo Casado, kritisierte die Rolle des Bruders seiner internen Widersacherin Diaz Ayuso mit deutlichen Worten. Für die Ministerpräsidentin war das Verrat – sie inszenierte den Sturz Casados. Im April 2022 übernahm Núñez Feijóo die Führung der PP.

Harte Aufklärung

Die Sozialisten halten den Konservativen nun entgegen, dass sie damals gar nicht auf den Korruptionsverdacht eingingen, sondern stattdessen ihren eigenen Chef schassten, weil der das Thema aufgegriffen hatte. Um den Unterschied im Umgang mit der Korruption klarzustellen, machte die PSOE mächtig Druck auf Ábalos, damit dieser sein Mandat niederlege. „Der Kampf gegen die Korruption muss tadellos sein, egal wen es trifft“, erklärte Sánchez am Samstag (24.2.).

Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien, applaudiert zu Beginn der Debatte im spanischen Parlament. Sánchez hat im spanischen Parlament angesichts heftiger Spannungen wegen der Amnestie für katalanische Separatisten um Unterstützung für seine Wahl als neuer Regierungschef geworben. Das Parlamentsgebäude im Zentrum Madrids wurde von Sicherheitskräften weiträumig abgeschirmt. Gegner der Amnestie und der linken Regierung demonstrierten in Seitenstraßen.

Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien, applaudiert zu Beginn der Debatte im spanischen Parlament. Sánchez hat im spanischen Parlament angesichts heftiger Spannungen wegen der Amnestie für katalanische Separatisten um Unterstützung für seine Wahl als neuer Regierungschef geworben. Das Parlamentsgebäude im Zentrum Madrids wurde von Sicherheitskräften weiträumig abgeschirmt. Gegner der Amnestie und der linken Regierung demonstrierten in Seitenstraßen. / Foto: Manu Fernandez/AP/dpa

Jedoch ist der Regierungs-chef eine Erklärung dafür schuldig, warum er Ábalos vor drei Jahren ziemlich überraschend als Minister abgesetzt hatte. Der Sozialist aus Valencia war nicht irgendein Kabinettsmitglied. Ábalos hatte als einer der wenigen einflussreichen Politiker der PSOE Sánchez einst im Kampf gegen das mächtige Establishment der Partei unterstützt. Sánchez setzte sich im Rennen um den Vorsitz gegen die damalige Ministerpräsidentin von Andalusien, Susana Díaz, durch. Neben dem Verkehrsministerium war Ábalos als Organisationsvorstand der PSOE der Mann fürs Grobe. Sein Fall im Juli 2021 im Rahmen einer größeren Kabinettsumbildung gab den Analysten damals Rätsel auf. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob Sánchez von den Machenschaften des Beraters García wusste und seinen Weggefährten deshalb vorbeugend opferte?

Dann eben fraktionslos

Ábalos behielt sein Abgeordnetenmandat und wurde bei den Parlamentswahlen im vergangenen Juli wiedergewählt. Nun verlässt er die Fraktion der Sozialisten und wechselte in die Gruppe der fraktionslosen Abgeordneten. Der Vorstand der PSOE hatte am Montag förmlich auf einen Mandatsverzicht des Ex-Ministers gedrängt. „Wir urteilen nicht, aber wir glauben, dass es eine politische Verantwortung gibt“, erklärte die Parteisprecherin Esther Peña.

Santos Cerdán, der ihm als Organisationsvorstand der Partei folgte, sprach persönlich mit Ábalos bei ihm zu Hause. Doch der Politiker aus Valencia blieb hart, da ein Verzicht auf das Mandat für ihn einem Schuldeingeständnis gleichkomme. „Ich kann meine Karriere nicht als Korrupter beenden, denn ich bin unschuldig“, sagte Ábalos. Er hätte von seinen Parteifreunden mehr Unterstützung erwartet. Der linken Minderheitskoalition fehlt nun ein Sitz mehr zur sowieso schon höchst schwierigen Mehrheit im Parlament. In der Gruppe der Fraktionslosen wolle Ábalos nun „die Ideen verteidigen, wegen derer ich in die Politik ging“.

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