Was auf Mallorca bei der Kamera-Überwachung von Ferienwohnungen und Apartments erlaubt ist - und was nicht

Immer mehr Vermieter von Ferien- oder Mitarbeiterwohnungen installieren Kameras, um ihr Eigentum vor Übergriffen zu schützen. Dürfen Sie das?

Eine von einer Kamera überwachte Immobilie (Symbolfoto).

Eine von einer Kamera überwachte Immobilie (Symbolfoto). / Marcelo Trad

Ralf Petzold, Ingo Wohlfeil

Tagsüber am Strand auf Mallorca chillen, abends ein paar Bierchen zapfen. Mit neuer Kraft und Sonnenenergie frisch ins Studium der Rechtswissenschaften nach Niedersachsen zurückkehren. Das war der Plan von Tobias Z. (Name von der Redaktion geändert). Bei dem Arbeitskräftemangel auf der Insel war ein Job schnell gefunden. Der Deutsche kam in einer von Landsleuten betriebenen Kneipe auf Mallorca unter. Die Wirte vermieteten ihm praktischerweise auch gleich ein Zimmer in einer Mitarbeiterwohnung.

Doch der Plan ging nicht auf. Weder Tobias noch die Arbeitgeber waren mit seiner Arbeit zufrieden. Die Wirte kündigten ihm schon sehr bald. Er sei wegen „Unzuverlässigkeit, mehrmaligen Verschlafens und eines vermuteten Drogenkonsums während der Probezeit entlassen worden“, heißt es in einem Schreiben an die MZ. Der Deutsche klagte indes über Stress, unbezahlte Überstunden – und vor allem eine ständige Überwachung. Wegen dieser Videokameras hat der 28-Jährige nun auch Anzeige bei der Polizei gestellt. Wie ein Sprecher der Guardia Civil der MZ bestätigte, ist inzwischen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Der Fall liegt nun bei einem Ermittlungsgericht in Palma.

Schon beim ersten Betreten der Wohnung Mitte April habe er ein ungutes Gefühl gehabt, sagt Tobias der MZ. Keines der Zimmer sei abschließbar gewesen, auch das Bad nicht. Und an den Wänden hingen zwei Überwachungskameras. Eine war auf das Zimmer ausgerichtet, in dem Tobias unterkam, sowie auf das Bad nebenan. Die andere schaute mitten ins Wohnzimmer hinein. Als er seinen Mitbewohner darauf ansprach, antwortete der, dass es sich um Attrappen handeln soll.

Der deutsche Student, der sich auf Mallorca von seiner Chefin überwacht fühlte.

Der deutsche Student, der sich auf Mallorca von seiner Chefin überwacht fühlte. / MZ

Er habe sich zunächst nichts weiter dabei gedacht, sagt Tobias, dann aber befürchtet, dass es doch echte Kameras sein könnten. „Die Wirtin wusste immer, wann ich nach Hause gekommen bin, wenn ich mal woanders geschlafen habe. Es gab da immer wieder Sprüche von ihr und ihrem Ehemann“, sagt der Student. „Die Frau ist sogar in mein Zimmer gegangen, um zu sehen, ob ich auch ordentlich bin. So war sie sogar während meiner Arbeitszeit in der Personalwohnung, ohne mir Bescheid zu geben.“ Das habe die Wirtin ihm sogar direkt danach gesagt. „Sie zeigte mir ein Foto vom Zimmer und regte sich über die Unordnung auf.“ Neben dem Bett hätten mehrere leere Wasserflaschen gestanden.

Nur blinkende Attrappen, sagen die Wirte

„Der Vorwurf, wir hätten den Mitarbeiter mittels Kameras überwacht, ist unwahr“, teilt der Anwalt der Wirte der MZ schriftlich mit. Sie selbst hätten die Wohnung nur gemietet und an die Angestellten untervermietet. Die Eigentümerin der Wohnung habe die Kameras seinerzeit installieren lassen, damit sie sich bei Einbrüchen sicherer fühlte. Es handele sich um eine „Art Bewegungsmelder mit Kameras“, die dann aufzeichnen, wenn bei abgeschlossener Tür und Aktivierung der Alarmanlage eingebrochen wird. Die Eigentümerin habe gegenüber den Wirten versichert, dass der Vertrag mit der Sicherheitsfirma bei der Anmietung durch die Kneipiers im Jahr 2022 gekündigt worden sei. „Es handelt sich deshalb nur noch um blinkende Attrappen, auf die wir nie Zugriff hatten“, so die Wirte.

Als Tobias nach knapp fünf Arbeitswochen gefeuert wird, wendet er sich an die Medien. In den Waschräumen der Kneipe sind noch zwei weitere Kameras installiert. Die Wirte sehen sich auch hier im Recht. „Vandalen hatten immer wieder unsere Waschräume demoliert. Um die Täter zu überführen, brachten wir Kameras an“, heißt es gegenüber der Mallorca Zeitung. Das sei im Juni 2019 geschehen. Im Herbst 2019 seien die Sachbeschädiger dann gemeinsam mit der Polizei und der Guardia Civil überführt worden. Der örtliche Polizeichef habe ihnen bestätigt, dass diese Kameras erlaubt sind.

Eine in einem Rauchmelder verborgene Kamera.

Eine in einem Rauchmelder verborgene Kamera. / MZ

Polizei lässt die Kameras im Waschraum abmontieren

Die gut drei Jahre später herbeigerufenen Polizeibeamten hatten dennoch Bedenken. In einem Protokoll der Ortspolizei von Calvià, das auf den 10. Juni datiert ist und der MZ vorliegt, heißt es: „Eine der Kameras ist im Frauenwaschraum direkt auf die Klotür ausgerichtet. Wird diese Tür offen gelassen, verletzt das die Intimsphäre.“ Die Beamten hätten die Wirte darauf hingewiesen, dass die Kameras abmontiert werden müssen. „Am nächsten Montagmorgen wolle sie bei der zuständigen Firma beantragen, dass die Kameras umgesetzt werden“, schließt das Protokoll.

Die Rauchmelder inklusive der versteckten Kameras sind mittlerweile aus den Sanitärbereichen entfernt. Wie ein Sprecher der Guardia Civil der MZ mitteilt, wird bislang nur wegen der Kameras in der Wohnung ermittelt. Tobias Z. ist unterdessen nach Deutschland zurückgeflogen. Von Mallorca will er sich künftig fernhalten.

Überwachung in der Wohngemeinschaft

Dass Vermieter in Wohnräumen Kameras installieren, um die Bewohner zu überwachen, kommt auf Mallorca und den Nachbarinseln häufiger vor. „Ich habe eine PlayStation5, und da hier ständig Leute ein- und ausgehen, will ich auf Nummer sicher gehen. Keine Sorge, wenn du hier einziehst, baue ich die Kameras wieder ab“, versicherte kürzlich etwa ein Vermieter von WG-Zimmern gegenüber einer MZ-Redakteurin.

Kamera in der Ferienwohnung an eine Alarmanlage angeschlossen

Eine ähnliche Antwort erhielt eine Schweizer Familie, die sich im Juni 2022 für ein Jahr ein doppelstöckiges Reihenhaus auf Ibiza als Feriendomizil leistete. „Die Kamera war Teil einer Alarmanlage. Die Vermieterin meinte, die wird nur aktiviert, wenn die Anlage scharfgeschaltet ist und jemand einbricht“, berichtet die Frau der MZ. Weder in der Wohnungsanzeige noch später im Mietvertrag war eine Rede davon. Die spanische Vermieterin wollte der Schweizerin sogar die Kosten für den Dienst in Höhe von 55 Euro pro Monat aufbrummen. „Ich sagte, sie solle die Alarmanlage kündigen. Sie murmelte etwas von Mindestvertragslaufzeit und zahlte lieber selbst dafür.“

Auch die Schweizerin dachte sich im ersten Moment wenig dabei. Erst als im Oktober in ihr Haus in der Heimat eingebrochen wurde, beschäftigte sie sich ausgiebig mit der Alarmanlage. Sie fand heraus, dass die zwei Kameras durchgehend aufzeichneten. Zudem wurde Protokoll über das Ein- und Ausschalten der Alarmanlage geführt. „Das fühlt sich an, als würde uns jemand stalken, um zu sehen, wann wir zu Hause sind. Das ist ein widerliches Gefühl“, sagt die Frau.

Neben der Sicherheitsfirma hatte auch die Vermieterin und deren Stiefvater Zugriff auf die Daten. „Ich fühle mich auch verantwortlich für die Leute, die uns damals besucht haben“, sagt die Frau. Ende November verließ die Familie das Haus endgültig, bis Februar zahlten sie noch Miete. Die Frau reichte beim Gericht auf Ibiza Klage ein wegen eines Verstoßes gegen das Datenschutzrecht. Bis heute weiß sie nicht, welche Daten erhoben wurden. Sie fordert eine Erstattung der kompletten Miet- und Anwaltskosten.

Das ist die rechtliche Lage in Spanien

Videoüberwachung an sich ist nicht illegal. „Nur versteckte Kameras sind bis auf ganz wenige Ausnahmen absolut verboten“, sagt Carmen Aguilera, Anwältin für Datenschutz der Firma Grupo Atico 34, die auch in Palma eine Niederlassung hat. Die Nutzung ist in der Datenschutz-Grundverordnung sowie in verschiedenen Gesetzen, hauptsächlich der Ley 5 aus dem Jahr 2014 über die private Sicherheit, geregelt. Dass die spanische Datenschutzbehörde AEPD eine 50-seitige Infobroschüre zur Videoüberwachung bereithält, zeigt wie verzwickt das Thema ist.

Für die Kameras in Mietwohnungen müssen zahlreiche Regeln beachtet werden. Sie dürfen nur aus Sicherheitsgründen installiert werden. „Audioaufnahmen sind absolut tabu“, sagt Aguilera. Wichtig ist zudem, wo die Kameras hängen. Aufnahmen sind nur auf dem eigenen Grundstück möglich, die Straße vor dem Haus oder der Garten des Nachbarn dürfen nicht mit aufgenommen werden.

Die Videoüberwachung muss kenntlich gemacht werden.

Die Videoüberwachung muss kenntlich gemacht werden. / MZ

Die Wohnung wird in Gemeinschaftszonen und in Zonen, in denen intime Privatssphäre herrscht, unterteilt. „Im Badezimmer und Schlafzimmer darf keine Kamera installiert werden. Im Wohnzimmer ebenfalls nicht, wenn dort ein Sofa steht, das eventuell als Schlafmöglichkeit benutzt werden kann“, sagt Aguilera.

An vielen anderen Orten ist es Auslegungssache. Ein Flur beispielsweise wäre eine Gemeinschaftszone. „Anders liegt der Fall, wenn er Bade- und Schlafzimmer verbindet und der Bewohner möglicherweise nackt entlanggeht“, so die Expertin. „Die meisten Kameras werden daher in den Außenbereichen als Schutz vor Einbrechern installiert.“ Der Pool gehört überraschenderweise zu den Gemeinschaftszonen, obwohl sich dort die Bewohner meist eher spärlich bekleidet aufhalten.

Die wohl wichtigste Regel ist, dass die Mieter vorab informiert werden müssen. „Und das bereits in der Wohnungsanzeige. Denn für die Interessenten könnte das ein Gegenargument sein“, sagt Aguilera. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Kameras an- oder ausgeschaltet sind. Zudem muss an den Hauseingängen das gelbe Schild angebracht werden, das vor der Videoüberwachung warnt.

Wer hat Einsicht?

Die Aufnahmen dürfen in erster Linie nur vom Inhaber der Kameras eingesehen werden. Der darf sie zur Verwaltung der Daten an ein Unternehmen weitergeben – das ist in der Regel eine lizensierte Sicherheitsfirma. Es muss sichergestellt sein, dass die Aufnahmen geschützt sind und nach 30 Tagen gelöscht werden.

Wie sieht es in Lokalen aus?

Hier sind die Regeln etwas lockerer, da es sich meist um eine Gemeinschaftszone handelt. Eine Kamera in einem Vorraum der Toilette, wo sich nur ein Waschbecken und ein Spiegel befindet – wie in dem Fall der deutschen Wirte –, wäre sogar zulässig, meint Aguilera.

Besteht ein begründeter Tatverdacht, darf sogar eine versteckte Kamera installiert werden. „Jedoch nur für einen kurzen Zeitraum, wir reden hier von wenigen Stunden.“ Die Expertin rät dazu, den Fall vorher mit einem Anwalt abzuklären. „Denn die Richter lehnen fast alle Aufnahmen der versteckten Kameras als Beweismittel ab, da sie einen zu großen Eingriff in die Privatsphäre darstellen.“

Wie findet man die Kameras?

Es gibt zahlreiche Apps, die helfen sollen, versteckte Kameras zu finden. Beim MZ-Test stellte sich aber keine als nützlich heraus, fast alle sind kostenpflichtig. Am besten ist es, die Wohnung gründlich abzusuchen. Sind Kabel zu finden, wo keine sein sollten? Blinkt irgendwo ein rotes Licht?

Mit einem Lampe kann das Zimmer abgeleuchtet werden, um die Reflexion der Kameralinse zu erhaschen. Mit der Handykamera lassen sich zudem einige Infrarotstrahlen erkennen, die auf eine Kamera schließen lassen. Wer Zugriff auf den Internetrouter hat, kann checken, welche Geräte angeschlossen sind. Hier könnte eine versteckte Kamera auftauchen.

War die Kamera versteckt, muss die Polizei gerufen werden. Dann handelt es sich um eine Straftat und dem Täter drohen eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren und ein Bußgeld zwischen zwölf und 24 Monatssätzen.

Hat der Eigentümer lediglich versäumt, auf die Kamera hinzuweisen, muss der Verstoß bei der spanischen Datenschutzbehörde angezeigt werden. Bis zu vier Prozent des Vorjahreseinkommen könne dann das Bußgeld betragen, sagt Aguilera. „Das geht jedoch an die Behörde. Da die Opfer kein Geld sehen, sparen sich viele die Mühe, und es gibt wenige Anzeigen.“

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