Nirgendwo in Spanien ist es so einsam wie in Kastilien-León. In der mit 94.000 Quadratkilometern größten Region des Landes – größer als das benachbarte Portugal – leben gerade einmal 2,4 Millionen Menschen. Normalerweise ziehen Parlamentswahlen in dieser Autonomen Gemeinschaft kaum überregionales Interesse auf sich, was auch daran liegt, dass Kastilien-León in der Regel gleichzeitig mit anderen Comunidades Autónomas an die Urnen bittet. Doch weil die konservative Volkspartei (PP), die seit 35 Jahren in Nordkastilien an der Macht ist, die Wahlen aus taktischen Gründen auf den kommenden Sonntag (13.2.) vorgezogen hat, richten sich die Blicke nun auf das Geschehen in Valladolid, Salamanca oder León. Der Wahlkampf war ungewöhnlich stark von spanienweiten Themen geprägt.

So war die turbulente Abstimmung über die Arbeitsmarktreform vergangene Woche in aller Munde der wahlkämpfenden Politiker. Die Minderheitsregierung aus Sozialisten (PSOE) und dem Linksbündnis Unidas Podemos konnte das wohl wichtigste wirtschaftspolitische Projekt der Legislaturperiode am Ende nur über die Ziellinie bringen, weil ein erkrankter Abgeordneter der Konservativen bei sich zu Hause versehentlich auf die falsche Taste drückte und so den Ausschlag für das hauchdünne Ergebnis von 175 zu 174 Stimmen gab. PP-Chef Pablo Casado beklagt einen „Wahlbetrug“ und wirft der sozialistischen Präsidentin des Unterhauses, Meritxell Batet, gar „Rechtsbeugung“ vor.

Nach Ansicht der Konservativen hätte der verwirrte Abgeordnete, Alberto Casero, seinen Fehler korrigieren dürfen. Doch das Reglement der Kammer, das wegen der Pandemie an telematische Abstimmungen angepasst worden war, sieht eine Wiederholung der Abstimmung nicht vor. Solche Fehler unterlaufen regelmäßig quer durch alle Parteien. Dennoch kündigten die PP wie auch die rechtsextreme Vox an, den Fall vor das Verfassungsgericht zu bringen.

Opposition unter hohem Druck

Oppositionsführer Casado steht unter besonders hohem Druck. Es war seine Entscheidung, die Wahlen in Kastilien-León vorzuziehen, um mit einem überragenden Sieg in der konservativen Hochburg seine Position zu stärken, extern wie intern. In der PP halten einige nämlich die streitsame und unorthodoxe Regierungschefin von Madrid, Isabel Díaz Ayuso, für die geeignetere Kandidatin, um Sánchez nächstes Jahr aus dem Amt zu vertreiben. Doch die letzten Umfragen vor der Wahl am Sonntag sehen die PP bei gut 30 Prozent der Stimmen, gleichauf mit den Sozialisten, und weit entfernt vom Ziel einer absoluten Mehrheit. Wahrscheinlich müssten die Konservativen eine Koalition mit Vox eingehen, die erste im ganzen Land. Bislang stützen die Rechtspopulisten mehrere konservative Regionalregierungen und Bürgermeister, jedoch ohne eigene Posten.

Konservative und Rechtsextreme haben die Wahl im ländlichen Nordkastilien zu einer Art Kulturkampf gemacht. Die Interessen der Landbevölkerung würden demnach von den progressiven, linken Weltverbesserern aus den Großstädten angegriffen.

Als Steilvorlage für die Kampagne diente eine Aussage von Verbraucherminister Alberto Garzón in der britischen Zeitung „The Guardian“ im Dezember. Der Politiker der Linken beklagte die schlechten Bedingungen der Massentierhaltung und sagte, dass das Fleisch aus solchen Großfarmen von schlechterer Qualität sei. Pablo Casado reduzierte diese Kritik auf einen allgemeinen Angriff auf Spaniens Landwirte und die Qualität der Lebensmittel generell. Der PP-Chef bestritt viele Wahlkampfauftritte vor Kühen oder Schafen, die friedlich auf der Weide standen und wenig mit der von Garzón angeprangerten Massentierhaltung zu tun hatten.

Herumhacken auf Sánchez

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Als das Thema der Großfarmen abgenutzt schien, überraschte Casado mit einer neuen Erkenntnis, nämlich einem angeblichen „Angriff auf die Zuckerrüben“. Der Grund sind Bestrebungen des Verbraucherministeriums von Garzón, den Zuckerkonsum von Kindern zu reduzieren. In diesem Sinne basierte die gesamte Strategie der Konservativen in Kastilien-León auf der Konfrontation mit der spanischen Regierung und deren sozialistischem Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Angesichts der schwachen Umfragewerte der PP kritisierten Parteiführer aus der Region hinter vorgehaltener Hand mittlerweile die Taktik der Zentrale. Statt die ganze Zeit auf Sánchez herumzuhacken, hätte man sich mehr lokalen Anliegen widmen sollen.

Das taten in der Kampagne die lokalen Bürgerinitiativen in Provinzen wie Ávila, Soria oder Burgos. Diese nach eigenen Angaben nicht ideologisch festgelegten Listen kämpfen für mehr Zuwendungen und für die Lösung konkreter lokaler Probleme. In den Umfragen sind diese Initiativen von „España vaciada“, dem „entleerten Spanien“, im Aufwind, ebenso wie die Ultras von Vox. Unidas Podemos unterdessen muss nicht mehr wie noch vor Wochen um den Einzug ins Parlament in Kastilien-León bangen. Minister Garzón konnte bei seinen Auftritten den Umfragen zufolge bei umweltbewussten Wählern punkten.