Urlaubermassen auf Mallorca: Der Protest gegen das Tourismusmodell erwacht

Kurz vor der ersten Demonstration gegen die Folgen des Massentourismus trifft sich die Regierung mit den Kritikern

Ein Ausschnitt aus einem Video von „Banc de Temps de Sencelles“, um auf die Wohnungsnot aufmerksam zu machen.

Ein Ausschnitt aus einem Video von „Banc de Temps de Sencelles“, um auf die Wohnungsnot aufmerksam zu machen. / SCREENSHOT

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Mehr als 3.000 Menschen demonstrierten Ende September 2017 in Palma gegen den Massentourismus auf Mallorca und seine Auswirkungen. Unter dem Motto „Fins aqui hem arribat“ (Bis hier und nicht weiter) zogen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung durch die Innenstadt. Das ist die Zielmarke, die am Samstag (25.5.) geknackt werden soll.

Für 19 Uhr hat die Organisation „Banc de Temps de Sencelles“, eine kleine Tauschring-Initiative in dem Dorf im Inselinneren, zu einer Demonstration unter dem Motto „Mallorca no se vende“ (Mallorca ist nicht zu verkaufen) aufgerufen. Start ist an der Plaça d’Espanya/Estació Intermodal. Von dort ziehen die Demonstranten über die Avinguda Alemanya zur Rambla und dann auf den Paseo del Borne, wo die Abschlusskundgebung ansteht und ein Manifest verlesen wird.

Mehr Menschen erwartet

Und laut den Initiatoren sieht es so aus, als könnten diesem Aufruf deutlich mehr als die anvisierten 3.000 Menschen folgen. Laura Pérez, eine der Organisatorinnen der Kundgebung, sagt: „Wir bekommen gerade unglaublich breite Unterstützung aus vielen Orten quer über die Insel verteilt.“ Zu Beginn hatte die Mallorquinerin und ihre Mitstreiter aus Sencelles gar keine so hohen Erwartungen an die Demo. Als sie die Kundgebung beim Rathaus anmeldete, habe sie optimistisch 2.000 Teilnehmer angegeben.

Doch eine Versammlung in Sineu am Freitag (17.5.) war ein voller Erfolg, rund 300 Menschen kamen, von denen viele ihre Ideen für Aktionen gegen den Massentourismus einbringen wollten. „Die Folgen des massiven Tourismus betreffen ja fast alle, die hier leben“, sagt Laura Pérez.

Schließlich hätten Mallorquiner genauso wie Deutsche oder andere Ausländer, die hier arbeiteten, Probleme, bezahlbaren Wohnraum zu finden. „Das ist keine Sache der Nationalität. Wir wollen eben nicht, dass nur noch Multimillionäre sich das Leben auf Mallorca leisten können.“ Und es sei keineswegs so, dass diejenigen, die da demonstrierten, gegen den Tourismus an sich sind. „Viele von uns, die sich nun engagieren, arbeiten ja selbst in der Gastronomie, in der Wassersport-Branche oder in Hotels.“

Protest am Flughafen?

Und es sieht danach aus, dass die Demonstration am Samstag nur der Auftakt zu einem Sommer mit weiteren Protestaktionen wird. Die Teilnehmer der Versammlung in Sineu diskutierten Dutzende Protest-Varianten. Die wohl polemischste: den Flughafen von Son Sant Joan lahmzulegen. Unter anderem war die Rede davon, dass Demonstranten die Zufahrtswege zum Terminal mit eigenen Autos verstopfen könnten. Man war sich allerdings schnell darüber im Klaren, dass ein solcher Protest strafbar sein könnte, weil es sich bei dem Flughafen um einen „problematischen Ort“ handle. Eventuell müssten Spenden gesammelt werden, um Bußgelder zu bezahlen.

Derzeit sei man von einer Aktion am Flughafen noch weit entfernt, sagt die Sprecherin der Umweltschutzorganisation GOB, Marga Ramis, der MZ. Auch der GOB ist Teil der Bürgerbewegung „Menys turisme, més vida“ (Weniger Tourismus, mehr Leben), die die Proteste koordiniert. „Wir haben momentan absolut keine Pläne in diese Richtung. Das war eine offene Versammlung, bei der jemand derartige Ideen geäußert hat.“ Auch Pere Joan Femenía, Sprecher von „Fridays for Future“ auf Mallorca und einer der Initiatoren der Versammlung in Sineu, beschwichtigt gegenüber der MZ, dass aktuell keine Aktion am Flughafen geplant ist. „Bei dem Treffen wurde viel besprochen, aber es wurde keine derartige Aktion beschlossen“, sagt er.

Großer runder Tisch

Die Politik scheint die Dringlichkeit des Themas erkannt zu haben, die Regierungspartei PP hat erstmals alle wichtigen Akteure an einen Tisch geholt und setzt auf eine politische Lösung – und einen gesellschaftlichen Konsens. Bei einem Gipfeltreffen der verschiedenen Regierungsinstitutionen mit einer 140 Personen zählenden Auswahl an Vertretern aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft am Mittwoch (22.5.) wurde der „Soziale und politische Pakt für die Nachhaltigkeit der Balearischen Inseln“ ins Leben gerufen.

Die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens (vorne Mitte, in weiß) mit den Teilnehmern des ersten Treffens, um die Auswirkungen des Massentourismus zu diskutieren.

Die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens (vorne Mitte, in weiß) mit den Teilnehmern des ersten Treffens, um die Auswirkungen des Massentourismus zu diskutieren. / DM

Es werde kein einfacher Weg, man sei eine Neuausrichtung des Tourismusmodells „der Gesellschaft schuldig“. „Der Moment ist gekommen, um unbequeme Entscheidungen zu treffen“, sagte die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens bei dem Treffen. Zuvor hatte sie „mutige Maßnahmen“ angekündigt.

Konkrete Ankündigungen machte Marga Prohens bisher nicht, allerdings sollen nach der Zusammenkunft rasch Arbeitsgruppen gegründet werden, in denen verschiedene Aspekte der Auswirkungen des Massentourismus analysiert werden sollen. Ein wichtiger Punkt soll dabei die Verfolgung illegaler Ferienunterkünfte werden.

So reagiert die Reisebranche

Inzwischen wird auch der Tourismusbranche in Deutschland langsam klar, dass es ein „Weiter so“ nicht geben kann. Auf MZ-Anfrage erklärt beispielsweise Carlos Fuster, Balearen-Hoteleinkäufer bei Schauinsland: „Wir verfolgen die aktuelle Debatte sehr aufmerksam und haben durchaus Verständnis für die Sorgen der einheimischen Bevölkerung.“ Das Problem werde allerdings vor allem durch „Privatvermieter“ verursacht, die ihre Wohnungen illegal vermieteten.

Und Tui-Sprecher Aage Dünhaupt teilt mit: „Wer sich die Aussagen genauer anschaut, versteht, worum es geht: um einen verantwortungsvollen Tourismus. Das sind keine Proteste gegen den Tourismus.“ Tui arbeite bereits seit vielen Jahren an diesem Thema. Nicht zuletzt auf dem Wohnungsmarkt will der Konzern aktiv werden und Apartments für Mitarbeiter, aber auch Einheimische bauen.

Eurowings-CEO Jens Bischof sieht die Politik in der Pflicht: „Ministerpräsidentin Prohens steht vor der Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass es eine Balance zwischen Residenten und Urlaubern gibt.“ Er könne als häufiger Mallorca-Besucher die „Ambivalenz“ zwischen der Abhängigkeit vom Tourismus und den negativen Folgen in Form von Überfüllung und Wohnungsnot gut nachvollziehen.

Abonnieren, um zu lesen