Antònia Genovart kam gerade von einer Reise nach Hause, als sie hörte, dass in der Ukraine Krieg ausgebrochen war. Sofort rief sie bei Svitlana Kransniaska in Kiew an. „Ich habe ihr gesagt, wir müssen dich und deine Familie da rausholen“, erzählt Genovart. Kransniaska ist die Leihmutter der Zwillinge von Genovart und ihrem Mann Jaume Femenias, sie haben seit der Geburt der Kinder ein enges Verhältnis. Kransniaska verbrachte vor Corona jeden Sommer mit ihrer Familie einen Urlaub auf Mallorca. Jetzt war also klar, sie sollten wiederkommen. Die Frage war nur wie und wann. Die ersten Kriegstage harrten die Frauen mit den Kindern im Bunker aus, dann wurden die Lebensmittel und die Medikamente knapp.

Kransniaska packte ihre zehnjährige Tochter Lisa, ihre Schwester Alina Herasimcuk und deren zwei Kinder Illia (7) und Emily (4) und versuchte, das kriegsgebeutelte Land zu verlassen. Antònia Genovart überwies der Familie 1.000 Euro, um nach Mallorca zu kommen. Der Plan war eigentlich, in Kiew einen Flug zu erwischen, aber der Flugplatz wurde bombardiert. Deswegen wichen sie auf den Zug aus. Am Bahnhof fanden sie Gewalt, Terror und Verzweiflung vor. „Die Menschen prügelten sich, um auf einen Zug zu kommen“, erzählen die Schwestern.

Die Ehemänner und auch der 18-Jährige Sohn mussten in der Ukraine bleiben

Der Zug brachte sie bis Lwiw, die letzte große Stadt vor Polen. Bis zur Grenze zu gehen, war für die Frauen bei Minusgraden mit so kleinen Kindern unmöglich. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als einen Bus zu nehmen, der sie bis in ein Flüchtlingscamp in Polen brachte. „Das war reinster Betrug, sie mussten 600 Euro für eine einstündige Busfahrt zahlen“, beschwert sich Genovart. Die Hilfsorganisation Per Ells half der Mallorquinerin finanziell, um Flugtickets für Svitlana Kransniaska und ihre Familie zu buchen. Die fünf flogen von Krakau über München nach Mallorca. Nach vier anstrengenden Tagen auf der Flucht kam die Familie am Samstag (5.3.) in Sant Llorenç an.

In den ersten Tagen sagten die Kinder häufig, dass sie nach Hause wollten. Sie vermissen ihre normale Umgebung und ihre Familien. Die fünf Ukrainer haben nur Rucksäcke und zwei kleine Koffer dabei, alles andere mussten sie in der Ukraine lassen. Auch die kranke Großmutter der Kinder, die Männer der beiden Frauen und Kransniaskas Sohn konnten nicht mitkommen.

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Der Sohn war vor zwei Monaten 18 geworden, muss jetzt wie alle anderen wehrpflichtigen Männer in der Ukraine bleiben. Ehemänner und Sohn sind in Reserve, warten auf die Einberufung. „Mein Sohn ruft mich an und sagt: ‚Mami, ich will zu dir nach Mallorca‘“, erzählt Kransniaska unter Tränen. Neulich habe sie einen Anruf mit ihrem Mann unterbrechen müssen, weil die Bomben immer näher kamen, sagt ihre Schwester „Er musste schnell in den Bunker, wir wohnen im 15. Stock.“

Hier auf Mallorca könnten sie trotz der Sorge um ihre Familie etwas Ruhe finden, sagen die beiden Schwestern. Die vierjährige Emily malt derweil am Tisch. „Sie sagt, sie malt den Krieg“, übersetzt ihre Mutter Alina.