Ich bin glücklicher als ein gínjol – das sagen die Bewohner von Mallorca, wenn es ihnen rundum gut geht. Gemeint ist eine Frucht, die der Olive ähnelt, jedoch süß schmeckt und im Deutschen Chinesische Dattel genannt wird. In Mini- und XL-Version taucht sie jeden Herbst auf den Inselmärkten auf. Doch die Frage, warum die grünbraune Frucht mit Glücksmomenten assoziiert wird, ist nicht leicht zu beantworten. Felipe Munar, Experte für mallorquinische Volkskunde, meint dazu: „Die Blättchen des Baumes sind so winzig, dass sie sich bei schwachem Wind bewegen, und das klingt dann, als ob sie lachen würden.“

Sicher ist, dass der ginjoler (Zizyphus jujuba bot., azufaifo span.) einen wichtigen Beitrag zur Hausapotheke lieferte und so Kranken Erleichterung bescherte. Gegen Erkältung inhalierte man die Bitterstoffe enthaltenden Blätter und stellte aus den Wurzeln einen fiebersenkenden Sud her. Die zarten Blätter gaben im Frühjahr auch dem Kräuterschnaps Hierbas ein würziges Aroma. Heute ist bekannt, dass das Obst so reich an Vitamin C ist wie eine Zitrusfrucht, es enthält aber auch Mineralien und Kalzium.

Munar und andere Volkskundler berichten außerdem, dass die Chinesische Dattel auch deshalb im Zusammenhang mit Glück genannt wird, weil der Baum den Instrumentenbauern das Holz für Flöten und Dudelsack lieferte. Die Musik beider Instrumente beglückt noch heute die Besucher von Festen und Märkten.

Der Baum

Der ginjoler ist ein langsam wachsendes Gewächs, das am besten im Winter gepflanzt wird. Seine Pflanzgrube kann deutlich kleiner ausfallen als bei anderen Bäumen. Denn die Chinesische Dattel zählt zu den Pflanzen, die aus eigener Initiative tief wurzeln. Deshalb sind sie durchaus fähig, auch bei völliger Trockenheit zu überleben. Wer jedoch von dem Baum üppige Ernte erwartet, sollte ihn im Sommer mit Gießwasser verwöhnen.

Im frühen Winter wirft die Pflanze ihr Laub ab. Regelmäßiger Schnitt empfiehlt sich, wenn die Früchte direkt vom Boden geerntet werden – aber auch vor allem dann, wenn die ginjolers als essbare Hecke niedrig wachsen sollen. Ohne Schnitt kann der Baum ohne Weiteres eine Höhe von acht bis neun Metern erreichen. Ob mit oder ohne Schnitt – das laubabwerfende Gewächs spendet im Sommer Schatten, im Winter Licht.

Im Frühjahr bilden sich direkt an den Ästen winzige gelbe Blüten, deren Nektar bei bestäubenden Insekten beliebt ist. Nach vier bis fünf Jahren entwickeln sich dann erstmals Früchte. Doch den Höhepunkt seiner Produktion erreicht der Baum erst im Alter von rund 20 Jahren, dann hängen die Früchte an dünnen Ästchen wie Ketten nach unten.

Gesundes Naschwerk

Volkskundler Munar erinnert sich gern an die glücklichen Momente, die ihm die gínjols in seiner Kindheit als Naschwerk bescherten. Damals habe es nur die „echten“ Früchte gegeben, die zwischen anderthalb und zweieinhalb Zentimeter groß sind. Diese blieben so lange an den Ästen, bis ihre braune Haut schrumpelig wurde. Nämlich erst dann hatte das Obst ein Maximum an Fruchtzucker gebildet. Die Früchte hätten so vorzüglich geschmeckt, sagt Munar, dass sie als Kinder nicht einmal die Steine ausgespuckt hätten.

Kleine Äpfel

Da Verbraucher große Früchte bevorzugen, wurden die alten Sorten so veredelt, dass es heute gínjols mit einer Größe von fünf bis sechs Zentimetern gibt. Ihr Reifegrad ist an braunen Hautflecken zu erkennen. Das saftig frisch und säuerlich schmeckende Fruchtfleisch erinnert an mitteleuropäische Frühäpfel, deren Inneres wie bei der großen ginjol-Sorte grasgrün ist. Doch mit den Früchten seiner Kindheit hätten sie nichts zu tun, sagt Munar, sie wären einfach nicht das Original.

Die kleineren "Original"-Ginjols am Baum. Nele Bendgens

Wild und kultiviert

Es gibt an die hundert verschiedene Ziziphus-Sorten, die alle zur Gattung der Kreuzdorngewächse (Rhamnaceae) zählen. Viele von ihnen bilden Dornen, die böse Wunden verursachen können. Eine besonders stachelige Version ist der Zick-Zack-Dorn (Ziziphus lotus bot., arto span., ginjoler murcià kat.), der in felsigen trockenen Gegenden in vielen Mittelmeerregionen vorkommt. Beispielsweise in Sizilien, in Nordafrika, aber auch an der Südwestküste der Iberischen Halbinsel. Dort breiten sich vom Wind geduckte Wildsträucher aus.

Ein enger Verwandter ist zudem der Syrische Christdorn (Ziziphus spina-christi bot., espina de Cristo span.), auch Sidarbaum genannt. Er wächst von Nordafrika und Vorderasien bis hin zum indischen Subkontinent. Im Islam sowie im Christen- und Judentum hat er symbolische Bedeutung.

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Die ursprüngliche Heimat des Ziziphus-Baums könnte China gewesen sein. Häufig ist nachzulesen, dass die Mauren die ersten waren, die ginjolers in spanische Gärten gepflanzt haben. Doch Aina S. Enrice, Autorin des Buches „Plantas olvidadas“ (Vergessene Pflanzen), ist sich da nicht so sicher. Sie schreibt, dass es durchaus möglich wäre, dass der Baum schon zur Zeit der römischen Besatzung hier Wurzeln geschlagen habe. Denn der Name ziziphus stamme aus dem Lateinischen.

Dieser Name lockt auf die Fährte zu Sisyphos, der Figur aus der griechischen Mythologie. Einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem botanischen Namen und dem für immer und ewig einen Felsbrocken auf den Berg rollenden Königssohn war für diesen Artikel nicht möglich. Deshalb soll er mit dem Original des mallorquinischen Sprichworts enden: Estic més content que un gínjol.