Vor dem Gespräch mit der MZ-Schwesterzeitung "El Periódico de España" hatte der russische Immobilienmakler Alexei Ezouvjky gerade zwei Anrufe hintereinander von seinen Kunden und Landsleuten erhalten, die ihn baten, die von ihnen gekauften Häuser an den Stränden von Alicante zu vermieten. Sie sind nur ein Teil der "sehr vielen" Aufträge, die seine auf russische Kunden spezialisierte Agentur Spaintur mit Sitz in Alicante erhält. "Viele Anrufer überlegen, was nun zu tun ist", sagt er, und das bestätigen auch andere Makler, die sich in Alicante, Málaga, Valencia und Barcelona auf Immobilien für russische Bürger spezialisiert haben. Die Angst vor weiteren Sanktionen diesseits und jenseits des Putinschen Vorhangs belebt den Markt in Spanien mit Kauf- und Mietaufträgen.

Das spanische Statistikinstitut INE zählte im Januar 2021 79.485 Russen, die in Spanien leben. Diese russische Community befürchtet, in gewisser Weise als Kollateralschaden zu enden, wenn die EU gegen Putins Oligarchen den Druck weiter erhöht. Sie hat Angst davor, dass auch ihr Vermögen eingefroren wird.

Bei vielen war die erste Reaktion auf den Krieg, über den Verkauf der Häuser nachzudenken. "Zunächst rufen sie an, um zu verkaufen. Aber am Ende ziehen sie es vor, zu vermieten, sobald wir ihnen Lösungen bieten", erklärt Ezouvjky. Das Schlüsselwort lautet Liquidität. Die russischen Bürger brauchen sie dringend.

Vermieten schützt vielleicht vor Beschlagnahmungen

"Die Kunden haben Angst, wollen aber nicht zu billig verkaufen", erklärt Oksana Peresadko, eine Immobilienmaklerin, die an der Küste von Alicante viel zu tun hat. Die Fälle, über die Oksana berichtet, betreffen Russen, die seit durchschnittlich vier Jahren in Spanien leben. Einige sind schon früher gekommen, angezogen von den Schnäppchen während der Immobilien-Blase, andere haben einen Arbeitsplatz in Moskau oder St. Petersburg, aber die Familie und Ersparnisse in diesem Teil Europas. Spanien war ihre Altersvorsorge. "Plötzlich haben sie nicht mehr genug Geld, um ihr Leben dort und das Haus hier zu bezahlen. Sie brauchen schnell Liquidität", erklärt Peresadko.

"Vermieten ist rentabler als Verkaufen", sagt auch Óscar Martínez Solozábal, Präsident des Berufsverbands der Immobilien-Sachverständigen in Barcelona. "Wenn sie vermieten, behalten sie die Immobilie. Und um sich vor einer vermeintlichen Beschlagnahmung zu schützen, ist es sicherer, das Haus zu vermieten, weil das Gesetz einem Dritten keinen Schaden zufügen kann". Außerdem glaubt er, "dass es einfacher ist, eine monatliche Miete von 2.000 Euro nach Russland zu überweisen als 300.000 Euro für den Verkauf einer Villa. Das ist etwas, was eine Bank unterbinden wird".

Kein Erlass des Europäischen Rates ordnet die Enteignung, das Einfrieren, die Konfiszierung oder die Sperrung des Eigentums von in der EU ansässigen Russen an. Betroffen sind nur Oligarchen, Politiker und Militärs, die Putin nahestehen oder an der Invasion in der Ukraine beteiligt sind. Aber die Nerven lieben, und die Gerüchteküche kocht. So wird etwa befürchtet, dass sie ihr Aufenthaltsrecht verlieren könnten.

Angst vor Russenfeindlichkeit

"Viele Leute denken das und haben Angst vor Russenfeindlichkeit", sagt Katerina S., Maklerin bei Immorusa, einer valencianischen Firma mit russischen, ukrainischen und moldawischen Kunden. Bei ihr halten sich die Aufträge allerdings in Grenzen: "Unsere Kunden sind hierher gekommen, um in einer bescheidenen Wohnung zu leben, und sie denken nicht einmal daran, wegzugehen", erklärt sie.

In nicht wenigen Fällen, so Spaintur, versuchen die Kunden die Hypothek für das Haus in Spanien zu bezahlen. "Sie haben den Kredit, sie wollen zahlen, aber wie sollen sie Geld schicken, wenn alles blockiert ist?", sagt Ezouvjky, Inhaber der Agentur.

"Russische Investoren, die in Spanien gekauft haben, haben als erstes ein Konto eröffnet", sagt Martínez Solozábal. "Wenn sie jetzt vermieten, können sie die Miete auf ihre Bank einzahlen und die Zahlungen leisten." Auch in Almería und Málaga werden solche Entscheidungen getroffen, so der Geschäftsmann. Und zwar nicht nur für Chalets, Villen oder Wohnungen, die in der andalusischen Stadt gekauft werden, sondern auch für Immobilien in Vera, Marbella und Mijas. Nicht wenige Russen, die Geld in den spanischen Immobilienmarkt investierten, hatten die Absicht, zu vermieten. Und genau das tun sie jetzt, aber nicht so sehr aus geschäftlichen Gründen, sondern aus reinem Selbstschutz.

Die Angst trifft auch die russische Mittelschicht

Vermieten oder aufgeben und verkaufen. Die Woche begann für Alexey mit einem dringenden Anruf aus Benidorm. Eine seiner Kundinnen, eine russische Geschäftsfrau besitzt ein Hotel im Wert von weniger als 20 Millionen Euro, das jetzt in der Nebensaison geschlossen ist und das sie nicht mehr halten kann, da sie kein Geld aus Russland überweisen kann. "Sie will es verkaufen, bevor die Bank es ihr wegnimmt", erklärt der Immobilienmakler. Er erzählt es mit dem traurigen Tonfall vieler Russen, die in diesen Tagen Anrufe von der Presse erhalten.

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Diejenigen, die von dieser Welle der Angst um ihr Eigentum erfasst werden, seien Putin nicht unbedingt wohlgesonnen, auch keine Oligarchen oder Generäle. "Auch zu Hause leiden sie unter den Folgen der Handlungen ihres Präsidenten. Eine 50-jährige Geschäftsfrau, die mehrere Immobilien von uns gekauft hatte, musste ihr Geschäft in Russland schließen", sagt der russisch-albanische Unternehmer. Sie habe mit ihrer ganzen Familie hierher ziehen wollen, einschließlich ihrer alten Mutter. Die Politik habe ihren Traum zerstört.

In Barcelona sagt ein Immobilienmakler für Russen, der es vorzieht, seinen Namen nicht veröffentlicht zu sehen, dass sein bester Kunde aus S'Agaró wegziehe. "Er hat mich gebeten, einen Käufer für ihn zu finden, weil er seine Familie und alles, was er hat, nach Dubai mitnimmt." Nicht nur reiche Investoren, auch Kunden aus der oberen Mittelschicht mit einer Hypothek bei einer spanischen Bank und einem ausstehenden Saldo von etwa 100.000 Euro fürchten nach den Erfahrungen des Inhabers von Spaintur die Folgen der Sanktionen. Sie sind, wie er sagt, "eine kultivierte Klasse von Russen: Ärzte, Architekten, Ingenieure, Kleinunternehmern, die nichts mit Putin zu tun haben, die nie an Krieg gedacht haben und die aus der falschen Demokratie, zu der Russland geworden ist, fliehen wollten."