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Der andere Mensch, der in mir wohnt
MZ-Kolumnist Juan José Millás erinnert sich an eine düstere Erkenntnis in seiner Kindheit
In dem Viertel, in dem ich aufgewachsen bin, gab es ein Fachgeschäft für Spiegel. Es war immer voll, selbst wenn nur ein einziges Paar im Laden war: Die Spiegel waren so angeordnet, dass die Körper sich überall spiegelten, wohin man auch schaute. Es war nicht leicht herauszufinden, wo das echte Objekt aus Fleisch und Blut zu finden war. Damals waren Spiegel noch ein Prestigeobjekt.
Sarg mit Spiegeln verkleidet
Später lief das Geschäft immer schlechter und wurde nach dem Tod des Inhabers geschlossen. Die Innenwände seines Sarges wurden auf Wunsch seiner Kinder komplett mit Spiegeln verkleidet. Hätte der Verstorbene seine Augen öffnen können, hätte er sich überall gesehen, wie eine Art allgegenwärtiger Gott. In der Nachbarschaft wurde dies als geschmackloses Detail betrachtet, und das war es auch.
Diese Erinnerung kam mir heute Morgen, als ich mich vor dem Badezimmerspiegel rasierte, wieder in den Sinn. Ab und zu wendete ich den Blick vom Rasierer auf meine Augen, und einen Moment lang kam es mir so vor, als ob sie nicht meine wären. „Vielleicht,“ sagte ich mir, „rasiere ich ja jemand anderen.“
Der Junge, der nicht ich war
Damals vor dem Spiegelgeschäft wurde mir klar, dass es in mir einen anderen gibt. Ich erinnere mich daran, wie ich die Hand meiner Mutter hielt und spürte, dass der Junge, der mich von diesen polierten Oberflächen anschaute und so tat, als wäre er ich, nicht wirklich ich war. Jahre später, als ich begann, Texte über diesen anderen zu lesen, verstand ich die düstere Eingebung meiner Kindheit. Ich habe mich daran gewöhnt, mit jenem anderen zu leben. Ich bin mir seiner dermaßen bewusst, dass ich ihn nicht einmal wahrnehme. Aber an manchen Tagen, wie heute, wenn ich mich rasiere, macht er sich bemerkbar.
„Ich bin noch da“, sagt er mir mit seinem Blick.
„Ich auch“, antworte ich.
Und dann geht jeder seiner Wege.
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