Bauern-Proteste: Auch in Spanien schlägt die Wut jetzt Wellen

Die Linksregierung reagiert prompt. Aber auch die politische Rechte nutzt die Proteste für sich

Protest der Landwirte bei Pamplona.

Protest der Landwirte bei Pamplona. / Jesús Diges/Efe

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

In den vergangenen Wochen liefen in Spanien die Bilder der Proteste der Landwirte in Europa im Fernsehen rauf und runter – Kolonnen von Traktoren in Berlin, Brüssel und Paris. Nun machen auch Spaniens Bauern mit Blockaden auf ihre Lage aufmerksam. Die Aktionen steigerten sich in den vergangenen Tagen. Am Mittwoch (7.2.) rückten die Traktoren ins Zentrum von Barcelona vor, wo sich Vertreter der Landwirte mit der Landesregierung Kataloniens austauschen wollten. In Burgos oder La Rioja blockierten schwere Fahrzeuge die Autobahnen. Die Seehäfen von Málaga und Castellón wurde ebenfalls bestreikt.

Die Forderungen und Beschwerden der spanischen Landwirte entsprechen denen ihrer Kollegen anderswo in Europa. Sie verlangen Hilfen zur Bewältigung der gestiegenen Energiekosten, faire Preise für ihre Produkte, mehr Schutz vor den Importen von außerhalb der Europäischen Union und weniger Bürokratieaufwand. Anders als etwa in Deutschland, wo die geplanten Kürzungen der Subventionen die Bauern auf die Straße trieben, gab in Spanien keine konkrete Entscheidung der Regierung den Ausschlag für die Proteste. Doch die Lage der Landwirtschaft ist auch hierzulande seit Längerem sehr angespannt.

Die Preise kontrollieren

Premier Pedro Sánchez reagierte schnell auf die wachsende Protestwelle. Er habe „absolute Empathie“ für die Belange sowie „absolute Bereitschaft zum Dialog“, so der Sozialist am Mittwoch im Parlament. Die von ihm geführte Linksregierung habe seit 2022 vier Milliarden Euro aufgebracht, damit die Branche die Folgen unter anderem der Preisexplosion bewältigen könne. Außerdem habe man in Brüssel 6,8 Milliarden Euro an Hilfen gesichert.

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Redaktion DM

Sánchez versprach, das Gesetz zur Regulierung der Lebensmittelkette, das seit vergangenem Jahr in Kraft ist, zu verschärfen. Dabei geht es darum, den Land- und Viehwirten Preise zu garantieren, die ihren Produktionskosten gerecht werden. Der Druck von Zwischenhändlern und großen Supermarktketten gilt als einer der Faktoren für die missliche Ertragslage der Landwirtschaft. Nach Angaben der Regierung hat das Gesetz bereits dazu geführt, dass der Liter Milch den Landwirten 0,56 Euro statt zuvor 0,36 Euro einbringt.

Schärfere Kontrolle von Importen

Sánchez kündigte auch schärfere Kontrolle von Importen an. Die Landwirte beklagen unlauteren Wettbewerb aus dem außereuropäischen Ausland, wo die Umwelt- und Gesundheitsstandards der EU oft nicht angewendet werden. Das kann dazu führen, dass in Supermärkten in der Region Valencia, einer Hochburg des Orangenanbaus, die aus Argentinien importierten Apfelsinen günstiger sind als die aus lokaler Produktion.

Des Weiteren will sich der Regierungschef in Brüssel für eine Vereinfachung der Europäischen Agrarpolitik einsetzen. Denn den Bauern ist der Bürokratieaufwand für die Beantragung von Subventionen und anderen Anforderungen entschieden zu groß. Vor Sánchez hatte schon die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, auf die Traktorkolonnen geantwortet und eine geplante Senkung der Pestizide um 50 Prozent ausgesetzt. In Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten fürchtet man, dass die Bauernproteste bei den Europaparlamentswahlen im Juni den rechtspopulistischen Kräften in die Hände spielen könnten.

Landwirt entpuppte sich als rechtsextremer Politiker

Wie die Alternative für Deutschland ist in Spanien die rechtsextreme Vox auf den Traktorzug der Landwirte aufgesprungen. So entpuppte sich ein Landwirt in Córdoba, der im Fernsehen sein Leid klagte, als früherer Vox-Kandidat. Nicht ganz klar ist, wer die Protestwelle angeschoben hat. Die drei führenden Verbände der Agrarwirtschaft Asaja, Coag und UPA riefen erst zu Demonstrationen auf, als vielerorts die Bauern schon auf der Straße waren. Die Linksregierung betont, dass man zwischen den legitimen Forderungen der Landwirte und politischen Forderungen in Teilen der Protestbewegung unterscheiden müsse.

Im Zentrum der Kritik stehen Maßnahmen zum Umweltschutz, verkörpert durch die Agenda 2030. Das sieht auch Vox so. Der Abgeordnete Ricardo Chamorro wetterte im Unterhaus gegen den „grünen Müll“ und ein „wegen des Klima-Fanatismus überreguliertes System“. Doch die Rechtspopulisten stehen mit dieser Position nicht allein da. Wie Vox kritisierte auch Alberto Núñez Feijóo von der konservativen PP den „ökologischen Dogmatismus“. Die Linksregierung hielt dem Oppositionsführer entgegen, dass seine Partei gegen das Gesetz zur Regulierung der Lebensmittelkette gestimmt hatte. „Ich bitte sie, die legitimen Sorgen unserer Land- und Viehwirte nicht zu manipulieren“, sagte Agrarminister Luis Planas an die Adresse der Opposition.

Wassernotstand in Katalonien

In Spanien kommt zu den EU-weiten Problemen die extreme Dürre in weiten Teilen des Landes hinzu. Die anhaltende Trockenheit hat zu massiven Ernteausfällen geführt. In Katalonien wurde gerade der Wassernotstand ausgerufen, was erhebliche Einschränkungen beim Verbrauch mit sich führt. Zentral- und Regionalregierung vereinbarten, dass Wasser aus einer Entsalzungsanlage in Sagunt bei Valencia per Schiff nach Barcelona transportiert wird, um etwas Abhilfe zu schaffen.

Bevor die Traktoren auch in Spanien auf die Autobahnen rollten, hatte Sánchez bereits eine Gelegenheit, sich für die heimische Agrarwirtschaft starkzumachen. Die frühere Ministerin und Präsidentschaftskandidatin in Frankreich, Ségolène Royal, hatte spanische Tomaten als „ungenießbar“ bezeichnet und über vermeintlichen unlauteren Wettbewerb mit den heimischen Produkten geklagt, die angeblich alle aus ökologischem Anbau stammen. Pedro Sánchez lud die sozialistische Parteigenossin nach Spanien ein, um sich der Qualität der Tomaten zu vergewissern. Diese seien „unschlagbar“.

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