Der Tourismus an sich ist kein sehr nachhaltiges Geschäftsmodell, schon gar nicht auf einer Insel wie Mallorca. Deutsche Urlauber verbrauchen mit einem Hin- und Rückflug fast schon ihr CO2-Budget eines halben Jahres. Auf Mallorca angekommen verursachen sie Müll und lassen gerade im Sommer Unmengen an Wasser in den Abguss fließen.

In Zeiten des Klimawandels sind hier neue Ideen gefragt – etwas, wofür es auf Mallorca unter anderem Toni Riera gibt. Der Wirtschaftswissenschaftler an der Balearen-Universität und Leiter der Stiftung Impulsa sammelt schon seit Jahren Daten, mit deren Hilfe er die Inseln zu einem nachhaltigeren Reiseziel machen will.

Der Wissenschaftler Toni Riera von der Balearenuniversität.

Nun hat die Balearen-Regierung einen Teil seiner Anregungen in das neue Tourismusgesetz aufgenommen. Deren Ziel ist, dass die Inseln möglichst schon vor 2030 zum destino circular werden, also zu einem Reiseziel, das die negativen Folgen des Massentourismus komplett vor Ort ausgleicht. Und zwar nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozialer Hinsicht.

Essensreste und Handtücher

Wie so häufig in den vergangenen zwei Jahren war es auch in diesem Fall die Pandemie, die als Beschleuniger gewirkt hat. Die Zeit sei jetzt reif gewesen, meint Toni Riera. „Plötzlich standen neue Technologien zur Verfügung, es fanden innerhalb kürzester Zeit Paradigmenwechsel statt, die zuvor Jahre gedauert hätten.“

Machen wir es anschaulich: Es geht zum Beispiel darum, dafür zu sorgen, dass die Essenreste der knapp 1.000 Hotels auf Mallorca nicht mehr in einem Müllcontainer landen und dann zu einem großen Teil in der Müllverbrennungsanlage von Son Reus verbrannt werden. Stattdessen sollen sie nun kompostiert werden. Der Entsorgungsbetrieb auf Mallorca, Tirme, hat in Zusammenarbeit mit der Technologiefirma WDNA bereits etliche Container für Bioabfälle an den Hotels mit Sensoren ausgestattet.

Diese messen, welche Menge an Biomüll in den Containern liegt und geben die Information direkt an eine Datenbank weiter, wie Francisco Balcazar, der Einkaufschef des Sheraton Hotels Castillo Son Vida berichtet. „So kann für alle Hotels, die bei dem Projekt mitmachen, berechnet werden, wie viele Tonnen an Biomüll zusammenkommen und später als Kompost für die Landwirtschaft dienen.“

Dünger für die Felder

Der Kompost wird dann zu mallorquinischen Obst- und Gemüseproduzenten gebracht, die ihn als Dünger auf ihren Feldern verwenden. Und die dort geernteten Produkte kaufen die Hotels dann wieder auf, so etwa das Sheraton Son Vida. „Da schließt sich der Kreislauf“, erklärt Francisco Balcazar. Schon in dieser Saison sollen die ersten Früchte, die durch den Dünger besser gediehen sind, auf den Tellern der Hotelgäste liegen.

In einem anderen Projekt, so erklärt Toni Riera, werde die Abwärme einer Hotelküche gespeichert, um damit zu heizen. Und es gebe noch viele weitere Möglichkeiten für die Kreislaufwirtschaft. Die Handtücher, zum Beispiel. Nicht einmal fünf Prozent der Handtücher eines Hotels würden am Ende ihres Lebenszyklus bisher auf Mallorca recycelt. „Da ist doch Platz für eine ganz neue Branche – Firmen, die den Stoff wiederverwerten für andere Produkte aus Textilien“, sagt Toni Riera.

Renovierung von Hotels

Auch bei der Renovierung von Hotels gibt es noch viel Luft nach oben in Sachen Recycling. Wie man es machen kann, zeigte die Kette Riu beim Umbau des Riu Concordia an der Playa de Palma. Die bei der groß angelegten Renovierung angefallenen 14.200 Tonnen Bauschutt wurden zur Hälfte wiederverwertet. Die alten Möbel überließ Riu etwa der Sozialstiftung Fundació Deixalles, gebrauchte, aber noch gut erhaltene Bettwäsche und Handtücher gingen als Spende an das Rote Kreuz. Und die Baumaterialien wurden teilweise als Füllmaterial für den Umbau im Concordia selbst verwendet, teilweise mithilfe der Spezialfirma Mac Insular recycelt und für andere Bauprojekte eingesetzt.

Mit den ersten Ideen zum Tourismus als Kreislaufsystem war Riera schon vor einigen Jahren schwanger gegangen. „Gibt die Tourismusbranche auf den Balearen einen Kreislauf her?“, lautete 2017 die Ausgangsfrage. Um sie zu beantworten, entwarfen Riera und seine Mitarbeiter erst einmal eine Studie: „Wir haben stellvertretend ein Hotel von Iberostar auf den Seziertisch gelegt und alle Prozesse analysiert, die in einem Hotel ablaufen“, berichtet Riera. So hätten sie 125 verschiedene kreislauffähige Vorgänge identifiziert. Riera: „Da haben wir erst bemerkt, welch immense Rolle den Hotels beim Übergang zu einem neuen Tourismusmodell zukommen kann.“

Eine Strategie für die Branche

Bei der Umsetzung half nun die Tatsache, dass einige Hotelketten bereits erste Schritte in Richtung Kreislaufwirtschaft gegangen waren, etwa bei der Plastikvermeidung. „Was fehlte, war allerdings eine gemeinsame und gut durchdachte Strategie für die gesamte Branche“, sagt Riera. Die hat Riera dann mit seiner Fundación Impulsa entwickelt. Ein 20-seitiges Strategiepapier hält die wichtigsten Aspekte fest, die Balearen-Regierung wiederum hat sich für das neue Tourismusgesetz davon inspirieren lassen.

Neben den Umweltaspekten geht es in Toni Rieras Kopf viel weiter gefasst um nichts weniger als ein neues Tourismusmodell für die Balearen. Und zwar eines, das nicht einfach an die Zeit angepasst werden, sondern komplett neu formuliert werden soll, wie es Riera ausdrückt. Konkret müsse die Gesellschaft ein anderes Bewusstsein für Nachhaltigkeit bekommen und andere Werte in den Vordergrund stellen. So etwa eine bessere Bezahlung der Menschen, die im Tourismus arbeiten. Und bessere Arbeitsbedingungen. Menschen müssten ihre Gewohnheiten ändern und beispielsweise mehr Produkte aus heimischem Anbau konsumieren, dem sogenannten kilómetro 0, Verpackungen vermeiden, auf Gleichberechtigung achten.

Theorie gut, in der Praxis Probleme

Was in der Theorie gut klingt, verärgert in der Praxis gerade die kleineren Hoteliers, diejenigen mit Zwei- oder Drei-Sterne-Häusern mit wenigen Zimmern. So wie Juan Manuel Ordinas, der Präsident der Vereinigung der kleinen Hotels auf Mallorca. Jetzt werde wieder mit der Brechstange versucht, mehr Nachhaltigkeit umzusetzen, ohne Rücksicht darauf, ob die einzelnen Maßnahmen auch sinnvoll seien. „Manche der Punkte, die da im Gesetzesentwurf stehen, sind genau das Gegenteil von Kreislaufwirtschaft“, schimpft er.

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So würden Verbesserungen bei Installationen verlangt, ohne dass die alten bereits am Ende ihrer Lebensdauer angelangt seien. Ordinas gibt ein Beispiel: Er habe erst im vergangenen Jahr einen neuen Heizkessel angeschafft. „Und jetzt soll ich den spätestens in sechs Jahren wieder ersetzen, weil keine Ölheizungen mehr erwünscht sind!“, beklagt Ordinas. „Das heißt, ich werfe einen neuen Heizkessel weg, der locker noch viele Jahre funktionieren würde.“