Die Vermessung der Stadt Palma: Luxus an jeder Ecke, dafür kaum Wohnraum

Wie steht die Stadt heute da? Wohin entwickelt sie sich? Wir gehen mithilfe einer Bilanz der Bürgerinitiative Palma XXI wichtige Aspekte durch

So könnte der Ostteil von Palma im Jahr 2040 aussehen, falls der Raumordnungsplan kommt.

So könnte der Ostteil von Palma im Jahr 2040 aussehen, falls der Raumordnungsplan kommt. / Rathaus Palma

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Palma, die mit Abstand wichtigste Stadt auf den Balearen, die achtgrößte Stadt Spaniens: Knapp 430.000 Menschen leben hier auf einer Fläche von fast 209 Quadratkilometern inmitten widerstreitender Interessen: die der Bewohner der Stadt, die des Tourismus, der Jahr für Jahr mehr Besucher anlockt, und die der Politik, die die Stadt in die eine oder die andere Richtung formen will. Besonders deutlich war das 2023 zu beobachten. In der ersten Jahreshälfte regierte noch ein sozialistisch geführter Linkspakt im Rathaus.

Nach den Wahlen Ende Mai übernahm eine konservativ geführte Minderheitsregierung unter Duldung der rechtsextremen Partei Vox. Und bereits in den ersten Monaten der neuen Amtszeit sind Tendenzen zu erkennen, in welche Richtung es die kommenden dreieinhalb Jahre gehen soll. Die Bürgerinitiative Palma XXI hat nun Bilanz gezogen, wo die Stadt Anfang 2024 steht. Wir fassen die wichtigsten Themen und Thesen zusammen und ergänzen sie um Aussagen der neuen Stadtregierung sowie der Meinung der Nachbarschaftsvereinigungen.

Wohnraum

Das wohl brennendste Problem: Nach wie vor fehlt an allen Ecken und Enden der Stadt bezahlbarer Wohnraum. Die Immobilienpreise sind längst in Sphären vorgedrungen, die sich viele Einheimische nicht mehr leisten können. In Palma sind laut Zahlen der Immobilien-Plattform Idealista aus dieser Woche lediglich sechs Prozent der Mietwohnungen in einem bezahlbaren Bereich, kosten also maximal 30 Prozent des durchschnittlichen Gehalts. Ein Zimmer koste im Durchschnitt 516 Euro, womit Palma die drittteuerste Stadt in Spanien ist.

Der Preisdruck hat sich von der Innenstadt inzwischen bis in die Peripherie ausgebreitet. „Gibt es überhaupt noch ein nicht gentrifiziertes Viertel?“, fragt Palma XXI. Der Immobilienboom sei beispielsweise längst im Einwandererviertel Pere Garau angekommen, wo innerhalb eines Jahres der Grundstückswert um 41 Prozent gestiegen ist, was viele Menschen zu einem Umzug zwingt. Das beklagt auch Maribel Alcázar, die Vorsitzende des Verbandes der Nachbarschaftsvereinigungen von Palma. Sie ist noch deutlich kritischer als Palma XXI in ihrer Bilanz. „Wir werden regelrecht vertrieben aus unseren Vierteln, die Menschen verlieren ihr gewohntes Umfeld.“

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Eine Grafik aus dem neuen Raumordnungsplan. / Rathaus

Stadtplanung

Etwas Abhilfe sollte da eigentlich der neue Raumordnungsplan schaffen, den die Linksregierung bereits Ende 2021 vorläufig verabschiedet hatte und der unter anderem mehr bezahlbaren Wohnraum vorsah. Es war eine Absichtserklärung der Politik, wie die Stadt im Jahr 2040 aussehen sollte. Neben mehr Wohnungen ging es auch um neue verkehrsberuhigte Bereiche oder die Verlegung eines Teils der Ringautobahn unter die Erde sowie die Umgestaltung des Parc de la Mar. Allerdings ist die Umsetzung noch nicht wirklich vorangekommen. Die Linksregierung schaffte es nicht mehr, den Plan rechtzeitig zu verabschieden, die Konservativen wollen vieles wieder ändern.

Das Areal der früheren Kaserne Son Busquets.   | FOTO: LORENZO

Die Arbeiten für die Umgestaltung des Paseo Marítimo stoßen nicht bei allen auf Begeisterung. / B. Ramon

Großprojekt Paseo Marítimo

Andernorts tut sich etwas: Die Arbeiten am Paseo Marítimo, die im November 2022 begonnen haben, schreiten voran. Aus einer stadtautobahnähnlichen mehrspurigen Straße soll bis Anfang 2025 ein fußgängerfreundlicherer Boulevard mit Grünflächen und einer breiten Promenade werden. Palma XXI kritisiert, dass aber auch nach dem Umbau dem motorisierten Verkehr der größte Teil der Fläche zur Verfügung stehen soll.

Die PP hatte vor den Wahlen angekündigt, den Umbau zu modifizieren und die wegfallenden Parkplätze mit Tiefgaragen auffangen zu wollen. Die zuständige Hafenbehörde will allerdings zunächst die vorgesehenen Umbauten abschließen und dann über die Möglichkeit von Tiefgaragen entscheiden.

Der Umbau des Paseo Marítimo hatte in der Stadt unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Autofahrer beklagen sich über den Wegfall je einer Fahrspur pro Richtung, Bars und Restaurants bricht die Kundschaft weg, weil sich niemand inmitten von Baulärm und Absperrungen setzen möchte. Mobilitätsexperten sind sich hingegen einig, dass es richtig ist, den und auf alternative Fortbewegungsmittel zu setzen.

Die neue Stadtregierung setzt auf Busse.   | FOTO: MANU MIELNIEZUK

Das Areal der früheren Kaserne Son Busquets. / Lorenzo

Großprojekt Son Busquets

Ein weiteres zentrales Vorhaben ist der Bau von Hunderten von Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne Son Busquets. Die vorherige Linksregierung hatte vor, an dieser Stelle über 800 Sozialwohnungen zu errichten. Die PP-Regierung im Rathaus will stattdessen lieber Wohnungen mit gedeckeltem Mietpreis bauen lassen, die eine deutlich höhere Monatsmiete haben sollen. Palma XXI bilanziert: „Son Busquets versprach Hunderte von Wohnungen für die, die sie am dringendsten benötigen. Nach den neuen Vorstellungen der Stadtregierung ist dieses Versprechen verloren.“

Das Projekt geht gerade in die nächste Phase, Mitte Februar gab es ein Treffen von Verantwortlichen des Baudezernats des Rathauses von Palma und der Zentralregierung in Madrid, der das Gelände gehört. Dort vereinbarten beide Seiten, dass das Areal nun gesäubert und für die Bebauung vorbereitet werden soll.

Vier Kreuzfahrt-schiffe gleichzeitig im Hafen von Palma sind momentan nur an wenigen Tagen im Jahr vorgesehen.    | FOTO: MANU MIELNIEZUK

Jahr für Jahr mehr Privatflugzeuge am Airport. / Manu Mielniezuk

Luxustourismus

Die Attraktivität von Palma für Auswärtige nimmt dagegen von Jahr für Jahr zu, und damit auch das Interesse von gut betuchten Urlaubern an der Stadt, die inzwischen zu den europäischen Städten mit den meisten Boutiquehotels gehört. Nach neuesten Zahlen gab es im Januar 2024 über 40 dieser Gästehäuser, die allesamt vier oder fünf Sterne haben. Diese Tatsache wiederum zieht immer mehr wohlhabende Reisende an – ein sich selbst erhaltender Kreislauf.

In den vergangenen Jahren nach der Coronapandemie hat sich die Nutzung von Privatjets, um nach Mallorca zu kommen, vervielfacht. Inzwischen sind es rund 20.000 Privatflugzeuge im Jahr. Und beim Rathaus setzt man zunehmend auf US-Amerikaner: Bei der Tourismusmesse Fitur in Madrid sprachen Verantwortliche des Rathauses mit der Fluglinie United Airlines, die im Sommerhalbjahr die Direktverbindung zwischen New York und Palma anbietet.

Ziel der konservativen Stadtregierung ist es, in Zukunft eine tägliche Direktverbindung zu schaffen. Die Präsenz der US-Amerikaner ist bereits jetzt deutlich zu spüren, wie Geschäftsleute von Luxusmarken berichten. Mehr als 280 Euro geben US-Amerikaner im Schnitt am Tag auf Mallorca aus – rund 100 Euro mehr als die übrigen Nationalitäten. Damit sind sie Spitzenreiter unter allen Urlaubergruppen.

Die Arbeiten  für die Umgestaltung des Paseo Marítimo stoßen nicht bei allen auf Begeisterung.    | FOTO: B. RAMON

Vier Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen von Palma sind momentan nur an wenigen Tagen im Jahr vorgesehen. / Manu Mielniezuk

Kreuzfahrturlauber

Ein Dorn im Auge ist vielen Bewohnern der Altstadt die große Zahl der Kreuzfahrtschiffe, die im Hafen anlegen und Tausende Menschen auf einmal in die Altstadt spülen – von der Umweltbelastung ganz zu schweigen. Mehrfach wurde 2023 die freiwillige Obergrenze für Anläufe von Kreuzfahrtschiffen im Hafen von Palma missachtet, die die Reedereien mit der vorherigen linken Balearen-Regierung vereinbart hatten.

Die PP hält sich zwar bislang noch an die Vereinbarung, hat aber bereits durchblicken lassen, die Regelung überprüfen zu wollen und möglicherweise zu kippen. Zusätzlich versucht Bürgermeister Jaime Martínez von der PP mit Sport- und Kulturveranstaltungen eine andere Art des Tourismus in die Stadt zu locken. „Die Altstadt von Palma darf sich nicht in einen Freizeitpark verwandeln“, fordert Palma XXI. Die Anwohner seien seit Jahrzehnten der Banalisierung ihres Lebensraumes ausgesetzt, mit „Sportevents, Konzerten, Märkten aus völlig beliebigen Anlässen, Gruppenausflügen von Kreuzfahrturlaubern oder auch einem zunehmenden Lieferverkehr aufgrund der Zunahme von Boutiquehotels“.

Jahr für Jahr mehr Privatflugzeuge am Airport.   | FOTO: MANU MIELNIEZUK

Immer mehr Ketten statt Traditionsläden im Zentrum von Palma. / Guillem Bosch

Einzelhandel

Die Bürgerinitiative spricht in Bezug auf den Einzelhandel in der Innenstadt von einer „Überspezialisierung“ auf den Tourismus. Es gebe immer mehr Souvenirläden, Eisdielen und Geschäfte, die sich mit ihrem Angebot – und vor allem den gehobenen Preisen – quasi nur an Urlauber richten. Traditionsgeschäfte müssen im selben Atemzug schließen, weil ihnen die Kundschaft wegbricht.

Inzwischen machen sogar Einzelhändler mobil gegen die immer gleichförmigere Stadt. Auch Maribel Alcázar vom Verband der Nachbarschaftsvereinigungen stört die einseitige Ausrichtung auf den Tourismus, der seit Jahren von vielen kritisiert werde, ohne dass sich etwas ändere. „Die Leute könnten genauso gut durch Málaga oder irgendeine andere spanische oder europäische Stadt laufen. Überall gibt es dieselben Geschäfte und Einzelhandelsketten.“

Bei der Tourismusstiftung Palma 365, die zum Rathaus gehört, will man sich eher um das Problem des Overtourism kümmern und will im Kampf gegen eine überfüllte Innenstadt vor allem auf eine bessere Lenkung der Urlauberströme und sogenannte Heat Maps setzen, auf denen in Echtzeit angezeigt wird, wie voll es an den verschiedenen Plätzen und Straßen im Zentrum gerade ist.

Eine Grafik aus dem neuen Raumordnungsplan.   | GRAFIK: RATHAUS

Eine Grafik aus dem neuen Raumordnungsplan. | GRAFIK: RATHAUS / johannes krayer

Mobilität

Der Wechsel der Stadtregierung macht sich auch beim Thema Verkehr bemerkbar. Mit der PP haben es Autofahrer wieder einfacher, in die Innenstadt zu fahren. Mehr Parkplätze sollen entstehen, Fahrradwege werden teils zurückgebaut, aber auch der Busverkehr soll ausgebaut werden. Dafür wurde das Projekt der Straßenbahn gestrichen.

Zwar bewertet Palma XXI den Gratis-Nahverkehr bei den Stadtbussen der EMT positiv, mahnt aber auch, in dieser Linie weiterzumachen. „Die Förderung des ÖPNV und die gleichzeitige Zurückdrängung des Individualverkehrs“ solle für Bürger wie für Entscheidungsträger in der Stadt ein Ziel sein, heißt es. Kritisiert werden die Forderungen der Stadt, die Einführung der Umweltzone in der Innenstadt zu verschieben sowie die Einstellung des Baus einer neuen Fußgängerzone, wie sie etwa in der zurückliegenden Legislaturperiode im Carrer Nuredduna entstanden war. Die Linksregierung hatte eigentlich vor, den Carrer Cotlliure als Verlängerung des Carrer Blanquerna in einen verkehrsberuhigten Bereich zu verwandeln. Die PP begrub das Projekt, obwohl es für dieses und andere Vorhaben 13 Millionen Euro von der EU gegeben hätte.

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