Meinung | ANSICHTEN VOM BALKON
Außerirdische sind wir auch in der Heimat
Juan José Millás fragt sich mal wieder, warum sich die Fremde manchmal heimisch anfühlt
Ich habe von einem chinesischen Schriftsteller erfahren, der in China mit dem Werk eines spanischen Schriftstellers triumphierte, das er ins Mandarin übersetzt hatte und als sein eigenes herausgab. Dieses Werk fand in Spanien kaum Beachtung, sodass man sich fragte, ob der plagiierte spanische Schriftsteller nicht eigentlich Chinese ist, ohne es zu wissen. Woher kommen wir? Offensichtlich von dort, wo wir geboren oder aufgewachsen sind. Allerdings gibt es Menschen, die „ihren Platz“ weit entfernt von ihrem Herkunftsort gefunden haben.
Ich habe einen Freund aus Cáceres, der sich mit 30 Jahren in New York niederließ, weil er bei seiner Ankunft dort spürte, dass dies sein Platz war. Er ist noch immer dort, unterdessen mit US-amerikanischem Pass.
Von dort sein, wo man herkommt
Viele Auswanderer sagen, dass es eine Zeit gibt, in der man aufhört, von dort zu sein, wo man herkommt, ohne von dort geworden zu sein, wo man ist. Sie leben fortan in einem Schwebezustand, den jeder, so gut er oder sie kann, erträgt. Ich habe eine argentinische Freundin, die seit vierzig Jahren in Madrid lebt. „Wenn ich hier bin“, sagt sie, „denke ich, ich bin von dort und wenn ich dort bin, denke ich, ich bin von hier.“
Wir haben ein tiefes Bedürfnis, von irgendwoher zu kommen, irgendwo dazuzugehören. Aber vielleicht ist dieses Bedürfnis auch veraltet. Die Kinder vieler meiner Freunde leben auf der ganzen Welt verstreut. Wenn sie aus dem Urlaub zurückkommen und ich Gelegenheit habe, sie zu treffen, scheint es mir, dass sie die ersten Exemplare einer neuen Spezies sind. Sie haben Männer oder Frauen aus anderen Ländern geheiratet, Kinder bekommen und sprechen untereinander drei Sprachen, ohne sie zu verwechseln.
Und ich frage mich: Woher kommen wir, Sie und ich und all die anderen, woher kommt diese Menschheit, die oft wie außerirdisch erscheint.
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