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Das Sperma in den Händen von korrupten Ministern

MZ-Kolumnist Juan José Millás sinniert über Spermien, die russische Soldaten vor ihrem Fronteinsatz einfrieren lassen

Russische Soldaten

Russische Soldaten / Foto: Alexei Alexandrov/AP/dpa

Russische Soldaten, die in der Ukraine im Einsatz sind, haben von Putin die Möglichkeit erhalten, vor der Einrückung eine Spermaprobe einfrieren zu lassen. Es wird ihnen die Hoffnung vermittelt, dass sie im wahrscheinlichen Fall, dass sie ihr Leben für das Vaterland lassen, nicht zur Gänze sterben.

Ich stelle mir vor, wie einer dieser 18-Jährigen in einem eiskalten Schützengraben über die Zukunft seines Spermas sinniert. Normale Gefrierschränke sind für die Aufbewahrung organischer Substanzen nicht geeignet, also kümmert sich der Staat darum.

Spezielle Kühlschränke

Der Staat verfügt über spezielle Kühlschränke für diesen Zweck, aber der Staat ist auch sehr bürokratisch und neigt zum „Kommen Sie morgen wieder“. Was wohl aus all den Spermien in den Händen von Generälen und meist korrupten Ministern und Generaldirektoren wird? Höchstwahrscheinlich werden sie hier oder dort verkauft, landen in China oder Pakistan oder werden für irgendwelche Experimente auf dem Mond geschickt.

Als ich zu Zeiten von Franco meinen Militärdienst leistete, urinierten wir Wehrpflichtigen in Behälter, die nachts von Tankwagen abgeholt wurden. Wir glaubten, dass sie den Urin zu einer Deponie für flüssige Sonderabfälle transportieren würden. Aber das taten sie nicht. Es stellte sich heraus, dass sie ihn an pharmazeutische Labors verkauften, die ihn zu irgendetwas verarbeiteten, möglicherweise zu Schönheitsprodukten: Wie seltsam.

Tanker mit der gelben Flüssigkeit

Wenn ich nachts im Bett lag, schloss ich manchmal die Augen und stellte mir die Tanker vor, die mit der kostbaren gelben Flüssigkeit durch die Nacht fuhren. Unsere Befehlshaber gaben sich damals offensichtlich nicht damit zufrieden, dass wir ihre Betten machten, ihre Häuser fegten und die Fachleute unter uns ihre Bäder und Küchen bauten. Und Putin setzt nun auf das Sperma seiner armen Rekruten, die offenbar wie die Fliegen sterben.