100 Tage lang powerte die neue Balearen-Regierung auf Mallorca durch– dann kam der Knall

Gut drei Monate lang verabschiedete die konservative Regierung im Eiltempo Gesetze und Dekrete – und ließ sich beim Thema Katalanisch von Vox vor sich hertreiben. Jetzt kam es zum Eklat

Ministerpräsidentin Marga Prohens wartet im Regierungssitz Consolat de Mar auf eine Besucherin.  | FOTO: CATI  CLADERA/EFE

Ministerpräsidentin Marga Prohens wartet im Regierungssitz Consolat de Mar auf eine Besucherin. | FOTO: CATI CLADERA/EFE / Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

An ihrem 100. Tag im Amt gönnte sich Marga Prohens etwas Schönes. Statt irgendwelche anstrengenden Pflichttermine wahrzunehmen, verbrachte die Ministerpräsidentin den Samstagmorgen (14.10.) in der Suite 705 des Castillo Hotel Son Vida. Dorthin hatte der Modedesigner Sebastian Pons zur Präsentation seiner neuen Kollektion „Ankh“ geladen. Die Politikerin ist seit Jahren ein Fan der Arbeiten des Designers – da kam das Event im intimen Rahmen gerade recht.

Im Mittelpunkt die Sprachpolitik

Es war eine kurze Atempause. Denn schon drei Tage später gab es im Parlament den ersten großen Knall im noch jungen Rechtspakt mit Vox. Der hatte sich zwar immer wieder angekündigt, kam dann in seiner Heftigkeit dann doch überraschend. Im Mittelpunkt stand die Sprachpolitik – ein Herzensthema der Rechtsextremen. Zwar wurde die Abschaffung der Katalanisch-Pflicht im Gesundheitswesen zu Beginn der Legislaturperiode vergleichsweise geräuschlos durchgewunken. In den vergangenen Wochen präsentierte der nicht ganz so stille Juniorpartner aber immer wieder eigene Initiativen in Sachen Katalanisch – in der PP kam dies gar nicht gut an. Die Partei will die Pro-Katalanisch-Kräfte nicht unnötig gegen sich aufbringen und es sich gleichzeitig nicht mit Vox verspielen.

Sind sich ja eigentlich in allem einig: Vox-Fraktionssprecherin Idoia Ribas und Ministerpräsidentin Marga Prohens.

Sind sich in vielem einig: Vox-Fraktionssprecherin Idoia Ribas und Ministerpräsidentin Marga Prohens. / B. Ramon

Am Dienstag stellten die Rechtsextremen einen parlamentarischen Entschließungsantrag zur Debatte, der die freie Sprachwahl zwischen Spanisch und Katalanisch in den ersten acht Schuljahren ab 2024 vorsah. Die PP-Abgeordneten enthielten sich, die Opposition stimmte gegen die Initiative. Der Beschluss scheiterte. Die PP verwies auf einen Informatikfehler, der verhindert hatte, dass die Eingaben der Volkspartei rechtzeitig für die Parlamentsdebatte registriert wurden. Doch es war zu spät: Am Nachmittag stimmte Vox gemeinsam mit den linken Parteien gegen die Ausgabenobergrenze der Konservativen – der Haushalt für 2024 steht damit auf der Kippe. Es folgten gegenseitige Vorwürfe zwischen PP und Vox, den vereinbarten 110-Punkte-Pakt nicht einzuhalten.

Hundert Tage im Eiltempo

Dabei war die Regierung der 41-jährigen Prohens durchaus mit Elan gestartet. Wohnungsmarkt, Familienpolitik, Steuern – in gleich mehreren wichtigen Bereichen wurden teils einschneidende Entscheidungen getroffen. „Wir haben in drei Monaten mehr geschafft als die Vorgängerregierung in acht Jahren“, trommelten sich in den vergangenen Tagen mehrere PP-Führungskräfte noch vor wenigen Tagen auf die Brust.

Noch ist sie gut gelaunt: Marga Prohens am Dienstag (17.10.) im Parlament.

Marga Prohens am Dienstag (17.10.) im Parlament. / B. Ramon

Die Opposition scheint derweil ein wenig gelähmt von dem Tempo. Zwar gab es im Parlament Auseinandersetzungen zwischen Oppositionsführer Iago Negueruela und verschiedenen Regierungsmitgliedern – auf eine richtige Strategie konnten sich die Linksparteien aber scheinbar noch nicht einigen.

Erbschaftsteuer

Der erste große Coup war sicherlich die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Keine zwei Wochen nach der Amtseinführung kündigte Prohens an, dass die Abgabe bei Erbschaften zwischen Eltern und Kindern, zwischen Eheleuten sowie zwischen Großeltern und Enkeln wegfallen würde. Es war eines der zentralen Wahlkampfversprechen der PP gewesen. Die große Reform ging dabei mit einem peinlichen Fehler einher. Eine Formulierung im Text führte dazu, dass EU-Ausländer nicht von der Maßnahme profitieren können. Die Regierung versprach, dies so bald wie möglich zu korrigieren.

Wohnungsmarkt

Ein weiteres wichtiges Projekt, das im Schnellverfahren umgesetzt wurde, ist das neue Dekret gegen die Wohnungsnot. Die Regierung Prohens legte eine ganze Batterie an Maßnahmen vor, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dazu gehört unter anderem, dass mehr in die Höhe gebaut werden darf und dass Geschäftslokale einfacher umgewandelt werden können. Hauptaspekt der Initiative sind gedeckelte Preise für Neubauwohnungen. Die Konservativen legen dabei Wert auf die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft. Hier hat Prohens nun ein wenig Zeit zum Durchatmen. Denn bis die Maßnahmen frühestens greifen, dürften zwei Jahre vergehen.

Familienpolitik

Zu den weiteren bereits beschlossenen Projekten gehört die Abschaffung der Kita-Gebühren für 0- bis 3-Jährige. Allein für diese Maßnahme will die Landesregierung bis 2027 insgesamt 141 Millionen Euro investieren. Die konservative Landesregierung kann sich solche Geschenke problemlos leisten. Die Vorgängerregierung schloss das vergangene Jahr mit Rekordeinnahmen ab und konnte mit einem Rekordhaushalt von rund 7,1 Milliarden Euro in das Wahljahr gehen.

Zum Vergleich: Als die Regierung Armengol vor 2015 ihre erste Legislaturperiode antrat, übernahm sie von Vorgänger José Ramón Bauzá ein Haushaltsloch in Höhe von 260 Millionen Euro. Während der Linkspakt in den ersten hundert Tagen damals erst mal Versprechen zurückfahren musste, konnte Prohens bisher in die Vollen gehen.

Francina Armengol ist neue Präsidentin des spanischen Parlaments.

Prohens? Vorgängerin Francina Armengol ist neue Präsidentin des spanischen Parlaments. / Alberto Ortega / Europa Press

Transparenz und Korruption

Kontrovers ist derweil das nächste Vorhaben der PP: Die Landesregierung kündigte vergangene Woche an, die 2016 ins Leben gerufene Antikorruptionsbehörde schließen zu lassen. Die für ihre zahlreichen Korruptionsskandale bekannte Partei gab zu, sich von der Behörde gegängelt zu fühlen. Zugleich kündigte das Team um Prohens auch Neuigkeiten in Sachen Transparenz an. So sollen nach Willen der PP die Vermögensverhältnisse von Menschen in hohen öffentlichen Ämtern nicht mehr veröffentlicht werden, sondern nur noch dem Parlament vorliegen. Auch die Möglichkeit, anonym Anzeigen wegen Korruption zu erstatten, wird abgeschafft.

Marta Vidal ist Wohnungsministerin auf den Balearen.

Marta Vidal ist Wohnungsministerin auf den Balearen. / Enrique Calvo

Brisant ist dies auch, weil schon in den ersten 100 Tagen Mauscheleien bekannt wurden. So arbeitete die Wohnraumministerin Marta Vidal zu Beginn ihrer Amtszeit noch bei zwei Unternehmen, darunter einer Firma im Immobiliensektor. Sie gab ihre Posten in der Privatwirtschaft außerhalb des gesetzlichen Zeitrahmens auf.

Zum anderen ist da Sebastià Sureda, der seit Juli Chef der Rettungsleitstelle 112 ist und der zuvor langjähriger Geschäftspartner von Marga Prohens’ Vater war. Schon die Berufung hatte also ein Geschmäckle. Zum anderen ermittelt die Antikorruptionsbehörde nun gegen ihn, weil er in seiner Zeit als Raumplanungsdezernent in Campos den Bau von Industrie- und Lagerhallen auf landwirtschaftlichem Grund gestattet haben soll.

Sebastià Sureda als Generaldirektor der Rettungsleitstelle.

Sebastià Sureda als Generaldirektor der Rettungsleitstelle. / CAIB

Regionalsender IB3

In einer anderen Sache hingegen konnte Prohens einen Punkt von der Express-To-do-Liste streichen. So wollte sie per Gesetz die Amtszeit des Intendanten des Regionalsenders IB3, Andreu Manresa, verkürzen. Der aber kam ihr mit seiner Kündigung zuvor. Die Regierung entschied sich, das neue Gesetz erst einmal zu parken.

Andreu Manresa ist von seinem Posten als Chef von IB3 zurückgetreten.

Andreu Manresa ist von seinem Posten als Chef von IB3 zurückgetreten. / DM

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