Wahlnacht-Reportage: So feierte die PP - und so geschockt ist die Linke auf Mallorca

Die MZ hat sich in der Wahlnacht aufgemacht und in den Parteizentralen in Palma vorbeigeschaut

Wahlsiegerin Marga Prohens lässt sich von ihren Anhängern an der Parteizentrale feiern.

Wahlsiegerin Marga Prohens lässt sich von ihren Anhängern an der Parteizentrale feiern. / Johannes Krayer

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Die ersten Hochrechnungen kurz nach 20 Uhr verkünden zwar schon einen möglichen Sieg der konservativen Volkspartei PP auf Mallorca und den Nachbarinseln, doch so wirklich traut dem Braten zu dieser Uhrzeit noch keiner der Beteiligten. Als es dann rund zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale kaum noch einen Zweifel an einem Regierungswechsel gibt, startet die MZ ihren Rundgang durch die Parteizentralen in der Innenstadt von Palma.

Um 22.30 Uhr ist es bei den designierten Siegern der Volkspartei PP im Parteisitz zwischen dem Balearen-Parlament und der Kathedrale noch sehr ruhig. Also erstmal zu den Sozialisten ein paar Straßen weiter nahe der Plaça Major. Auch hier vor allem Journalisten, die warten. Kurz darauf tritt auf dem Bildschirm als erster Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten Jorge Campos von der Rechtspartei Vox an die Mikrofone. Er sei "bewegt", wie viele Menschen Vox ihre Stimme gegeben haben und verdrückt eine Träne. Ansonsten wirkt er wie gewohnt etwas steif und humorlos.

Francina Armengol umgibt sich mit Parteifreunden

Dann tut sich etwas bei den Sozialisten. Um 23.40 Uhr betritt die scheidende Ministerpräsidentin Francina Armengol den Presseraum. Mit weißer Bluse und schwarzer Hose bekleidet bringt sie im Schlepptau eine ganze Parteiabordnung mit. Etwa 20 PSOE-Politiker kommen einer nach dem anderen durch die Tür, der abtretenden presidenta soll noch einmal demonstrativ der Rücken gestärkt werden. Dabei sind unter anderem Tourismusminister Iago Negeruela, Gesundheitsministerin Patricia Gómez, Inselratspräsidentin Catalina Cladera und Palmas Bürgermeister José Hila. Auch Cladera und Hila werden nicht in ihren Ämtern bleiben können.

Francina Armengol mit ihrer versammelten Mannschaft bei der Pressekonferenz.

Francina Armengol mit ihrer versammelten Mannschaft bei der Pressekonferenz. / Johannes Krayer

Francina Armengol, die einen sehr auffälligen roten Lippenstift aufgetragen hat, gratuliert in ihrer kurzen Ansprache der konservativen Volkspartei PP zum Wahlsieg, die eine "ganz klare Mehrheit" geholt hat. Armengol verspricht, eine "starke und konstruktive Opposition", in der sie sich für die "Bürgerrechte einsetzen" werde. Und mit Blick auf die Spanien-Wahlen voraussichtlich im Herbst 2023 werde sie "intensiv daran arbeiten, rechte und ultrarechte Regierungen zu verhindern".

Der Applaus fällt eher verhalten aus. Armengol wirkt müde, kann ihr sonst so eindrückliches Charisma nicht abrufen. Ob sie es sein wird, die die Opposition im Balearen-Parlament in Zukunft führt, will sie an diesem Abend noch nicht verraten.

Marga Prohens wartet Armengols Auftritt ab

Die Wahlsiegerin Marga Prohens lässt der unterlegenen Francina Armengol den Vortritt. Kaum ist die Sozialistin von der Bühne - und damit auch den Bildschirmen - verschwunden, schlägt die Stunde von Prohens. Gegen Mitternacht taucht die 41-Jährige erstmals auf, um sich im Presseraum, der zur Hälfte mit Journalisten, zur anderen Hälfte mit PP-Mitgliedern gefüllt ist, feiern zu lassen. Die Luft in dem heillos überfüllten Raum kann man beinahe schneiden, aber das ist Prohens in der Stunde ihres Sieges einerlei.

Mit einer perfekt ausformulierten Rede, die sie ausschließlich auf Katalanisch hält, was bei der PP in der Vergangenheit nicht immer selbstverständlich war, bedankt sie sich und stellt immer wieder die Inselbewohner in den Mittelpunkt, die sich für einen Politikwechsel entschieden hätten. Ein wenig pathetisch kommt die Rede daher, auch hier fließen ein paar Tränen. Auch Marga Prohens hat sich weiß angezogen, ihr sehr matter Lippenstift steht im krassen Gegensatz zu dem tiefen Rot bei Francina Armengol.

Prohens im Dauer-Lächel-Modus

Die überglückliche Prohens wirkt, als wolle sie ganz Mallorca umarmen an diesem Abend. Fragen gibt es kaum, auch die Frage nach einer möglichen Regierungskoalition mit der Rechtspartei Vox lächelt Prohens zunächst einmal elegant weg. Sie habe um eine deutliche Mehrheit gebeten, und diese gebe es nun.

Llorenç Galmés und Marga Prohens heizen der Menge ein.

Llorenç Galmés und Marga Prohens heizen der Menge ein. / Johannes Krayer

Vor der Parteizentrale sammeln sich gegen 0.30 Uhr Dutzende Parteianhänger, einer von ihnen hat eine große Spanien-Flagge mitgebracht. Prohens sowie der designierte neue Inselratspräsident Llorenç Galmés und der wahrscheinliche Neu-Bürgermeister von Palma, Jaime Martínez, brauchen fast zehn Minuten, bis sie sich durch die Menge auf eine kleine Bühne kämpfen. Immer wieder ertönen "Presidenta, presidenta"-Rufe, ein Parteianhänger fällt einem anderen mit den Worten "Was für eine Tracht Prügel" in die Arme - in Anspielung auf das Ergebnis für die Linksregierung.

Der Frust von acht Jahren Opposition bricht sich in der Feier Bahn

Feiern können sie bei der PP, das muss man den Konservativen lassen. Jetzt bricht sich der gesamte Frust Bahn, acht lange Jahre in der Opposition verbracht zu haben. Aus den Lautsprechern tönt Musik, das Gejohle und das Klatschen der Anhänger ist schon von Weitem zu vernehmen. Marga Prohens - inzwischen etwas heiser - wiederholt ihre Rede aus dem Presseraum mehr oder weniger wörtlich nun vor den Anhängern, während ihr Sohn im Grundschulalter vor der Bühne steht und vor Stolz zu platzen droht. Wenn er auch so kurz vor 1 Uhr nachts ein wenig müde aus der Wäsche guckt.

Die PP-Party ist so schnell noch nicht vorbei, sodass noch einmal Zeit ist, bei den kleineren Parteien vorbeizuschauen.

Enttäuschend fällt dabei der Besuch bei Vox aus. Entweder man hatte bei der Rechtspartei ein deutlich schwächeres Abschneiden erwartet, oder aber man möchte unauffällig bleiben - an der Parteizentrale nahe des Carrer Oms herrscht bereits eine Totenstille. Die Tür ist zu, im ersten Stock hängt am Balkon lediglich ein Plakat des Spitzenkandidaten Jorge Campos mit dem Spruch "Vota seguro" (Wähle sicher). Daneben prangt eine große Spanien-Flagge.

Bei Més gibt es Basilikum, Bier und eine schockierte Neus Truyol

Anders dagegen geht es bei Més zu. Gegen 1.30 Uhr ist beim Parteisitz östlich der Altstadt noch jede Menge los. Die gesamte Straße hat die Partei für die Wahlparty sperren lassen, gerade wird eine Bühne und die Soundanlage abgebaut. Innen stehen jede Menge Basilikumpflanzen auf den Tischen, damit hatte Més in den zurückliegenden Tagen Werbung für sich gemacht.

Der Spitzenkandidat für das Parlament und Bürgermeister von Deià, Lluís Apesteguía, nippt an einem Bier und hat keine Lust auf Konversation. Dafür ist Neus Truyol, die Bürgermeisterkandidatin für Palma, umso redseliger. Sie habe im Moment noch keinerlei Erklärung für das, was da passiert ist, sagt sie.

Vox wisse, wie man junge Wähler erreicht

Zwar musste Més so gut wie keine Stimmenverluste hinnehmen, aber dass eine Neuauflage der Linksregierung im Parlament und auch in Palma aussichtslos ist, schockiert sie sichtlich. "Offenbar haben viele junge Menschen konservativ oder rechtsaußen gewählt", sagt Truyol. Gerade in den sozialen Netzwerken sei Vox stark und wisse, wie man junge Wähler erreiche. Sie werde weiterkämpfen für soziale Gerechtigkeit und mehr Umweltschutz.

Themen, für die die PP bisher nicht unbedingt bekannt ist. Noch ein letztes Mal geht es gegen 1.45 Uhr zurück zu den Wahlsiegern. Noch immer brüllt die Masse "Presidenta, presidenta", leere Biergläser und eine angefangene Flasche Jägermeister stehen auf den Tischen. Ein Sprecher der Partei versucht zunächst erfolglos, um Ruhe zu bitten. Die Anwohner scheinen sich beschwert zu haben, die Polizei fährt mehrfach vor. "Wenn ihr mich gern habt, dann geht jetzt bitte", ruft der Sprecher den Feierwütigen zu.

Das scheint zu wirken, die meisten machen sich auf den Weg. Da steht der künftige Inselratspräsident Llorenç Galmés etwas abseits und grinst in sich hinein. Nicht in seinen kühnsten Träumen habe er mit einem solchen Ergebnis für die PP gerechnet, sagt er. Jetzt gehe es noch kurz feiern nach Santa Catalina, aber dann müsse er auch mal langsam ins Bett. Der Wahlkampf und die Wahlnacht waren anstrengend. Und die nächsten vier Jahre dürften es ebenfalls werden.