Wahlen auf Mallorca: Das Einmaleins des Wahlsonntags

Parlament, Inselrat sowie Stadt- und Gemeinderäte – am Sonntag (28.5.) werden auf Mallorca die politischen Karten neu gemischt. Ein Überblick über Prozedere, Themen und Kandidaten

Mallorca steht vor der Wahl.

Mallorca steht vor der Wahl. / FREEPIK.COM/ MONTAGE: HUMANES

An diesem Wochenden steht der Super-Wahlsonntag auf den Balearen an. Die MZ erklärt die wichtigsten Fakten.

Was wird gewählt?

Am 28. Mai werden in den Wahllokalen auf Mallorca drei Urnen aufgestellt, eine für das Balearen-Parlament, eine für den Inselrat und eine für den jeweiligen Gemeinderat. Die politischen Machtverhältnisse können sich also in sämtlichen politischen Institutionen auf der Insel ändern – oder gleich bleiben. Und da voraussichtlich im Herbst auch spanienweite Wahlen anstehen, haben die Wähler in diesem Jahr besonders viel zu entscheiden.

Das Balearen-Parlament verfügt über 59 Abgeordnete, womit die absolute Mehrheit bei genau 30 Abgeordneten liegt. Das bislang regierende Linksbündnis aus Sozialisten (PSIB), Unidas Podemos und Més per Mallorca, das gemeinsam die Landesregierung (Govern) stellt, kommt zwar zusammen nur auf 29 Sitze, konnte aber bei Abstimmungen in den vergangenen vier Jahren auch auf die Stimmen von Més per Menorca und Gent per Formentera setzen, mitunter auch auf die Stimmen der regionalen Zentrumspartei El Pi.

Wurden früher die auf Mallorca abgegebenen Stimmen für das Balearen-Parlament auch für die Zusammensetzung des Inselrats hergenommen, gibt es heute einen eigenen Stimmzettel für den Inselrat (Consell) von Mallorca, Menorca und Ibiza. Auf Formentera, der kleinsten Balearen-Insel, sind Insel- und Gemeinderat identisch. Der Consell de Mallorca hat im Laufe der Jahre zunehmend Zuständigkeiten von der Landesregierung übernommen. Sie reichen heute vom Straßenbau und der Abfallwirtschaft über die Sozialpolitik bis hin zu Tourismus und Raumordnung.

Gewählt werden am 28. Mai außerdem Palmas Stadtrat sowie die 66 weiteren Gemeinderäte auf den Balearen. Der Hauptstadt kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, wegen der Zahl der Einwohner von Palma und ihrer erweiterten Kompetenzen. Bei vergangenen Wahlen wurde denn auch die Zusammensetzung von Govern und Consell zusammen mit der Besetzung des Bürgermeisteramts zwischen den Koalitionären mitunter im Paket verhandelt.

Wie wird gewählt?

Wer es etwa aus Deutschland gewohnt ist, ein Kreuzchen bei der Partei zu machen, die er oder sie wählen möchte, muss sich auf Mallorca umstellen. Hierzulande liegt für jede Partei ein Zettel bereit, sozusagen die Liste mit den Namen der Kandidaten und ihren Listenplätzen. Die Wählerinnen und Wähler nehmen in der Wahlkabine den Zettel der Partei zur Hand, die sie wählen möchten und stecken diesen in einen dafür vorgesehenen Umschlag. EU-Bürger und andere wahlberechtigte Ausländer, die lediglich die Bürgermeister wählen dürfen, nehmen den weißen Zettel „Eleccions municipals“ mit der entsprechenden Liste und befördern ihn in den dazugehörigen weißen Briefumschlag.

Diesen werfen sie nach Angabe ihrer persönlichen Daten bei der Wahlleitung in die Wahlurne. Die einheimischen Wähler können zusätzlich noch die sepiafarbene Liste für das Balearen-Parlament und die blaue Liste für den Inselrat in die jeweiligen Umschläge stecken und in die Urnen werfen. Die Wahlen beginnen um 9 Uhr morgens mit der Öffnung der Wahllokale, die um 20 Uhr schließen.

Welche Parteien stehen zur Wahl?

Mit den Sozialisten (PSIB) einerseits und der Volkspartei (PP) andererseits stehen sich – wie auch spanienweit – zwei große Volksparteien gegenüber, die sich in den vergangenen Jahrzehnten an der Macht abgewechselt haben. Das Parteienspektrum hat sich jedoch inzwischen ausdifferenziert, und die beiden Großen können nicht auf eine eigene absolute Mehrheit hoffen. Während das linke Lager stets im Bündnis regiert hat, gibt es im konservativen Lager auf den Balearen weniger Erfahrungswerte für Koalitionen.

Links der Sozialisten ist die aus der Protestbewegung des 15-M hervorgegangene Partei Podemos positioniert. Im konservativen Lager gelang der liberalen Partei Ciudadanos ein kometenhafter Aufstieg, dem ein ebenso spektakulärer Niedergang folgte – die Partei kämpft heute ums Überleben. Rechts der PP hat sich die Partei Vox etabliert. Sie kann zwar mit der AfD in Deutschland verglichen werden, eine stärkere Rolle als das Thema Einwanderung spielt jedoch die Verteidigung der „spanischen Einheit“ gegen regionalistische und separatistische Bewegungen.

Als Besonderheit auf den Balearen kommen zwei Regionalformationen hinzu. Ökologisch ausgerichtet und fest im linken Lager verankert sind Més per Mallorca/Més per Menorca. Als Zentrumspartei definiert sich El Pi. Beiden Formationen gemein ist das Bemühen um mehr Schutz für die mallorquinische Sprache und mehr regionale Eigenständigkeit.

Wer sind die Spitzenkandidaten?

Erstmals in der Geschichte der Balearen machen zwei Frauen die Macht unter sich aus. Die Sozialistin Francina Armengol strebt ihre dritte Amtszeit an. Herausforderin Marga Prohens greift erstmals nach der Macht und will nach acht Jahren Opposition wieder die PP an die Regierung bringen.

Die kleineren Parteien im linken Lager sind mit neuen Gesichtern in den Wahlkampf gezogen. Bei Podemos tritt die studierte Betriebswirtin Antònia Jover in die Fußstapfen von Ex-Richter Juan Pedro Yllanes. Bei Més per Mallorca ist der kämpferische Bürgermeister von Deià, Lluís Apesteguia, der neue Spitzenkandidat. Und auch bei den Ciudadanos gab es einen Wechsel: Die Partei retten soll die Juristin Patricia Guasp, die gleichzeitig auch Spanien-Vorsitzende der Formation ist.

Als alter Hase gilt dagegen Josep Melià, der die Zentrumspartei El Pi anführt. Ähnlich Jorge Campos, der vor der Gründung von Vox mit der Organisation Círculo Balear eine ähnliche politische Linie verfolgte.

Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol.

Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol. / B. Ramon

Welche Themen haben den Wahlkampf bestimmt?

Als dringlichstes Problem gilt die Wohnungsnot, die sich weiter verschärft hat. Während das linke Lager auf den sozialen Wohnungsbau und eine geplante Mietpreisbremse setzt, lehnt das konservative Lager staatliche Eingriffe ab und will stattdessen mit steuerlichen Mitteln für mehr Wohnraum sorgen. Més tritt für ein juristisch und politisch stark umstrittenes Limit beim Hauskauf durch Nicht-Residenten ein. Vox bringt immer wieder die Hausbesetzer als zentrales Problem ins Spiel.

Auch die Overtourism-Debatte bestimmte den Wahlkampf. Praktisch alle Parteien führen an, dass die Urlauberbranche an natürliche Grenzen stoße. PP und Pi, auch Vox, verteidigen die Branche als Wohlstandsgarant und sehen im Zuge einer besseren Koordinierung der Urlauberströme noch Luft nach oben. Die Sozialisten haben das Ziel eines nachhaltigeren Tourismus ausgegeben und einem weiteren Wachstum den Riegel vorgeschoben. Für Més und Podemos ist das Limit längst überschritten. Die Förderung alternativer, innovativer Branchen befürworten alle Parteien.

Angesichts der guten Arbeitsmarktzahlen bietet die Wirtschaftspolitik der Linksregierung wenig Angriffsfläche. Die Konservativen setzen stattdessen auf eine Steuerreform, die 80 Prozent der Bevölkerung zugutekommen soll, die Erbschaftsteuer soll ganz fallen – eine Strategie, die die PP mit einem Online-Steuersparrechner verdeutlicht. Die Sozialisten versprechen erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten bei der Einkommensteuererklärung für Sozialschwache und argumentieren, dass die Steuereinnahmen für Investitionen in Bildung, Gesundheitssystem und Soziales benötigt würden. Wie beide Lager im Falle eines Wahlsieges ihre vielen Versprechen finanzieren wollen, ist unklar.

Die Sprachpolitik spielt vor allem in der Kampagne der Regionalparteien einerseits und Vox andererseits eine Rolle. Més und El Pi sehen einen erhöhten Schutzbedarf für die Inselsprache. Für die Rechtspartei ist Katalanisch ein rotes Tuch. Die Volksparteien schlagen bei dem Thema leisere Töne an. Klar ist aber, dass die PP Auflagen für Katalanisch etwa im öffentlichen Gesundheitssystem lockern würde.

Wie sieht es in den drei größten Städten aus?

Besonders spannend dürfte die Bürgermeisterwahl in Palma (416.000 Einwohner) werden, wo der sozialistische und oft als führungsschwach wahrgenommene Amtsinhaber José Hila lange zu schwächeln schien, in den jüngsten Umfragen aber wieder zugelegt hat. Der wichtigste Herausforderer Jaime Martínez von der konservativen Volkspartei PP kann unter anderem damit punkten, dass ihm als Architekt am ehesten Lösungsvorschläge beim wichtigsten Thema, der Wohnungsproblematik, zugetraut werden.

In Manacor (45.350 Einwohner) deutet einiges auf eine Fortführung der Koalition aus Més-Esquerra, den Sozialisten und Unidas Podemos im Rathaus hin. Ein zentrales Thema in Manacor ist wie nahezu überall die Mobilität. Més-Esquerra und Sozialisten wollen die Verkehrsberuhigung in der Innenstadt ausbauen sowie die Trasse für die geplante Zugstrecke nach Artà durch die Stadt legen, um so gleich noch eine Art Straßenbahn zu schaffen. Die PP will mehr Parkhäuser bauen und den Zug um die Stadt führen. Auch beim Thema Tourismus unterscheiden sich die Positionen. Die Linksregierung erklärt dem „Bändchen-Tourismus den Krieg“, wie es Miquel Oliver bei einer Debatte vor der Wahl nannte – in Anspielung auf die All-inclusive-Bändchen der Hotels. Die Konservativen wollen von einer Reduzierung der Gästebetten nichts wissen und die private Ferienvermietung fördern.

In Inca (34.000 Einwohner) dürfte wenig an Amtsinhaber Virgilio Moreno vorbeiführen. Der Sozialist strebt eine absolute Mehrheit an, bisher regiert er mit der Unterstützung von Més, mit der deutschen Stadträtin Alice Weber, und El Pi. Die Themen in Inca sind ebenfalls Mobilität, vor allem die Frage, was mit der Umgehungsstraße im Norden passieren soll, sowie die Wohnungsnot.

Noch einmal Spitzenkandidatin: Alice Weber in ihrer Heimatstadt Inca.

Noch einmal Spitzenkandidatin: Alice Weber in ihrer Heimatstadt Inca. / | FOTO: NELE BENDGENS

Was sagen die Umfragen?

Dass es diesmal äußerst knapp wird, legen die Stimmungsbilder vor dem Wahlsonntag nahe. Bei den Umfragen zu Balearen-Regierung und Inselrat zeichnet sich ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis zwischen linkem und rechtem Lager ab. Dabei werden der konservativen Volkspartei PP in den meisten Erhebungen deutliche Zugewinne vorhergesagt. Laut der jüngsten Umfrage des Sozialforschungsinstituts Gadeso holt die PP zwar die meisten Stimmen, aber selbst in einer Koalition mit der Rechtspartei Vox – einer Option, zu der sich die PP-Chefin Marga Prohens nur ungerne äußert – käme das rechte Lager aber nicht auf eine Mehrheit.

Ebenso wenig wie die aktuelle Regierungskoalition aus Sozialisten, Més per Mallorca und Unidas Podemos. Beide Lager erreichen in der Umfrage 28 Sitze, 30 Abgeordnete wären für die Mehrheit nötig. So kommt der Regionalpartei El Pi möglicherweise die Rolle der Königsmacherin zu. Ihr wird knapp zugetraut, die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken, womit sie zwei Sitze im Parlament hätte. Nicht mehr dabei sein könnte die liberale Partei Ciudadanos, die in den Erhebungen meist deutlich unter fünf Prozent bekommt. Der Ableger Més per Menorca ist nicht an die Fünf-Prozent-Hürde gebunden und könnte statt zwei gar drei Sitze erobern. Gent per Formentera bleibt wohl bei einem Sitz.

Wie geht es nach den Wahlen weiter?

Nach dem Wahlsonntag (28.5.) wird die derzeitige Linksregierung erst mal weiter kommissarisch im Amt bleiben, bis das Balearen-Parlament in seiner neuen Zusammensetzung seine erste Sitzung abhält und die neue – oder alte – Ministerpräsidentin wählt. Zum Vergleich: Vor vier Jahren dauerten die Koalitionsverhandlungen bis Ende Juni, also gut einen Monat. Bei Mallorcas Inselrat ließ die Konstituierung noch zwei Wochen länger auf sich warten.

Etwas schneller geht es in den Gemeinden: Schon jetzt steht fest, dass die neu gewählten Mitglieder der Gemeinderäte am 17. Juni ihr Amt antreten und im ersten Plenum den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin wählen werden.

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