Nach Sturmtief Juliette auf Mallorca: Jetzt werden in der Serra de Tramuntana die Wunden geleckt

Über eine Million Bäume sind bei dem Schneesturm beschädigt worden, schätzen Experten. Besonders betroffen sind auch Besitzer von Olivenbaumplantagen

Joan Juan bei Aufräumarbeiten in der Tramuntana.

Joan Juan bei Aufräumarbeiten in der Tramuntana. / FOTO: Privat

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Die Äste sind abgeknickt, die Stämme in der Mitte durchgebrochen. Noch immer liegt an manchen Stellen Schnee, auch nach einigen Tagen mit frühlingshaften Temperaturen. Nachdem das Sturmtief Juliette an den letzten beiden Februar-Tagen in der zentralen Serra de Tramuntana auf Mallorca Tausende von Bäumen zu Kleinholz gemacht hat, sind die Aufräumarbeiten inzwischen in vollem Gang.

Diejenigen, die bereits im am schwersten betroffenen Gebiet unterwegs waren, gehen davon aus, dass innerhalb eines rund 12.000 Hektar großen gedachten Dreiecks zwischen Caimari, dem Mirador de Ses Barques oberhalb von Sóller und dem March-Tal nahe Pollença etwa eine Million Bäume beschädigt oder gar zerstört wurden. Auf diese Zahl kommt der Chef der Forstbehörde der Balearen, Joan Santana. „Betroffen sind alle Baumarten, am schlimmsten aber Kiefern und Steineichen“, sagt Santana. Zum Glück sei aber nur ein geringerer Prozentsatz der Bäume komplett zerstört. Was man häufiger vorfinde, seien große und kleine Äste, die von den Bäumen abgebrochen seien und nun überall herumlägen.

Schaden überrascht Experten

Joan Santana plant mit seinen Kollegen, wo zuerst gehandelt, wo Wege freigeräumt und wo beschädigte Bäume gefällt werden müssen, um die Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten. Weiterhin seien umstürzende Bäume und herabfallende Äste eine Bedrohung für Ausflügler im Gebirge, sagt er. Santana war bei seinem ersten Ausflug in die Serra de Tramuntana nach dem Unwetter erst einmal sprachlos, wie er der MZ berichtet. „Ich hätte niemals erwartet, dass Schneefall in Verbindung mit Wind und an manchen Orten auch Dauerregen solch gravierende Schäden hervorrufen kann.“ Etwas Vergleichbares habe er nach einem Unwetter auf den Balearen noch nicht gesehen, sagt der 41-Jährige.

Finca-Manager Joan Juan in Son Torrella bei Aufräumarbeiten.  | FOTO: PRIVAT

Umgestürzte Bäume in der Tramuntana, wohin man blickt. / Joan Juan

Die Aufräumarbeiten verlangten den Einsatzkräften einiges ab. Seit zwei Wochen sind sie im Gebirge unterwegs, vor allem die ersten Tage nach dem Sturm waren nicht ungefährlich. Der Betriebsrat der Naturschutzbehörde Ibanat beklagte Anfang der Woche eine „unverhältnismäßige Überlastung“, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kollegen führen könne. Hinzu komme, dass die zur Verfügung stehenden Fahrzeuge und die Ausbildung der Kollegen nicht für derartige Umweltereignisse ausgelegt seien.

Geschafft haben die Einsatzkräfte trotzdem einiges. Die meisten Straßen und Wanderwege sind inzwischen wieder freigeräumt, was aber nicht heißt, dass sie bereits durchgängig befahren und begangen werden können. So ist die Ma-10, die Tramuntana-Panoramastrecke, weiterhin tagsüber unter der Woche von 8 bis 16 Uhr zwischen dem Mirador de Ses Barques und Son Marc bei Pollença gesperrt, weil dort schwere Maschinen unterwegs sind, Bäume fällen und das Holz von der Straße räumen. Gesperrt ist auch noch die Ma-2130 von Caimari nach Lluc sowie ein Abschnitt der Ma-2100 zwischen Orient und Bunyola. Auch einzelne Wanderstrecken sind noch nicht begehbar, weil Bäume und Äste den Weg versperren.

Trockensteinroute ist weiterhin rund um Lluc gesperrt

Xisco Fanals, der Präsident des Bergsport-Verbandes auf der Insel, berichtet, dass die Trockensteinroute, der GR 221, auf den Abschnitten zwischen dem Cúber-Stausee und Lluc sowie zwischen Lluc und Pollença weiterhin gesperrt ist. Zahlreiche kleinere Wanderwege seien ebenfalls noch unpassierbar, ein kompletter Überblick würde den Rahmen sprengen.

„Wanderer sollten nach wie vor das am schwersten betroffene Gebiet meiden“, empfiehlt Fanals, der selbst mit weiteren Bergsportlern am Wochenende bei den Aufräumarbeiten mithelfen will. Auch er hat derartige Schäden auf Mallorca noch nicht gesehen. „Die Bäume hier sind einfach nicht für derartige Schneemengen geschaffen“, sagt er. Auch die teils jahrhundertealten Trockensteinmauern seien an manchen Stellen in sich zusammengefallen.

Viele Bäume konnten den Schneemassen nichts entgegensetzen.  | FOTO: JOAN JUAN

Noch sind manche Straßen von Bäumen und Ästen blockiert. / B. Ramon

Die Olivenbaumplantagen

Besonders gelitten haben bei dem Sturm die Olivenbäume auf der Insel. Auch auf der Finca von Miquel Martorell ist viel kaputtgegangen. Der Mallorquiner besitzt eine 3.000 Quadratmeter große Olivenplantage im Barranc de Biniaraix nahe Sóller – ein Gebiet, das Juliette mit voller Wucht erwischte. „Meine Finca liegt auf 500 Meter Höhe, ab 450 Metern ist nahezu alles kaputt“, berichtet Martorell am Telefon.

„Ich hatte viele der Bäume richtiggehend lieb gewonnen und ihnen teilweise Namen gegeben“, erzählt Martorell. Zwölf Jahre Herzblut stecken in der Finca Cingles d’en Querol, die er damals von einer anderen mallorquinischen Familie kaufte. Er machte sich damals daran, die Gebäude auf dem Landgut herzurichten und die Olivenbäume zu pflanzen. Gerade jetzt, als die Bäume eine stattliche Höhe und Konstitution erreicht hätten, sei der Sturm gekommen, klagt Martorell. Nun dauere es wieder fünf Jahre, bis die Neuanpflanzungen überhaupt wieder einigermaßen den Namen Olivenbaum verdient hätten.

Ab 400 Metern Höhe praktisch alle Olivenbäume beschädigt

Es werde rund zehn Jahre dauern, bis die Bäume wieder so aussähen wie vor dem Sturm, schätzt indes der Präsident der Olivenöl-Kooperative auf Mallorca, Miquel Gual. Gegenüber dem „Diario de Mallorca“ sagte er, dass es ab einer Höhe von etwa 400 Metern kaum einen Olivenbaum gibt, der nicht beschädigt oder gar ganz zerstört ist. Die Bäume brachen in der Mitte durch oder verloren unter der Last der Schneedecke zumindest zahlreiche Äste. In diesem Jahr könnte die Produktion des Olivenöls durch die Schäden deutlich leiden. Miquel Gual fürchtet Einbußen von rund 40 Prozent.

Um die Olivenhaine wieder so aufzubauen, wie sie bis vor dem Sturm aussahen, brauche es „Hilfe von der öffentlichen Hand“, sagt Gual. Die hohen Kosten für die Wiederaufforstung der Haine könnten die Landwirte und Fincabesitzer nicht allein schultern. Bei einem Treffen mit dem Konsortium der Serra de Tramuntana sei von einer Direkthilfe von 35 Euro pro betroffenem Olivenbaum die Rede gewesen, sagt der Präsident der Herkunftsbezeichnung Oliva de Mallorca, Miquel Arbona, der die Summe für angemessen hält.

Zahlreiche Äste und Bäume stürzten auf die Ma-10, die gesperrt wurde.  | FOTO: B. RAMON

In der Mitte zerborsten. / Joan Juan

Zwischenzeitlich hat die Dezernentin für Raumplanung und Territorium beim Inselrat, Maria Antònia Garcías, Soforthilfen in Höhe von 1,5 Millionen Euro für die Fincabesitzer angekündigt. Darin enthalten sind die Entschädigungen für die zerstörten Bäume sowie die Kosten für das Verbrennen der Reste. Die Auszahlung soll unbürokratisch erfolgen, als Beweis sollen Fotos von der Zerstörung mit Geolokalisierung ausreichen. Hinzu kommen noch einmal 4,4 Millionen Euro, die die Landesregierung an Hilfen, auch für andere Bereiche, zugesagt hat.

Zwar hängt die Lebensgrundlage von Miquel Martorell im Barranc de Biniaraix nicht an seinen Olivenbäumen, genauso wenig wie bei seinen Nachbarn, doch auch er hat viel Geld und noch mehr Zeit in seine Plantage investiert. Für ihn gibt es keine Alternative dazu, seine Olivenbäume wieder anzupflanzen. „Mit ganz viel Geduld werde ich mich jetzt wieder ans Werk machen. Zuerst die Finca komplett reinigen und dann wieder neue Bäume anpflanzen“, sagt er.

Steineichenwald völlig zerstört

Besonders übel erwischt hat es auch Jaume Gelabert, den Eigentümer der weitläufigen Finca Turixant nahe dem Stausee Gorg Blau. „Die Finca ist zerstört“, sagt Gelabert am Telefon. Vor allem von einem Steineichenwald im unteren Teil seines insgesamt 200 Hektar großen Anwesens stehe kaum noch etwas. Viele der Bäume seien auf die alten Trockensteinmauern gekippt.

„An einem einzigen Tag ist die Arbeit von vielen Jahren und mehreren Generationen zunichtegemacht worden“, bilanziert Gelabert. Ihm seien die Tränen gekommen, als er das erste Mal nach dem Unwetter Turixant betreten habe. Auch er mache sich nun schweren Herzens ans Aufräumen. Das dauere bei ihm sicher Jahre, sagt er. Arbeiter einzustellen, die das für ihn erledigten, wolle und könne er sich nicht leisten.

Gefahr: Schädlinge und Brände

Der Wiederaufbau im Gebirge muss indes nicht nur aus ästhetischen und emotionalen Aspekten möglichst schnell vonstattengehen: Bäume mit abgebrochenen Ästen sind stark anfällig für Schädlinge. Das ist momentan eine der Hauptsorgen von Oberförster Joan Santana und den Fincabesitzern. In den teilweise sehr entlegenen Tälern und Anstiegen der Serra de Tramuntana liegen zudem tonnenweise Bäume, Äste und andere Biomasse auf dem Boden.

Und an manche Orte werden die Einsatzkräfte auch nicht vorrücken können. „Wir hoffen darauf, dass es dort möglichst schnell verrottet“, sagt der Leiter der Forstbehörde, Joan Santana. Die abgestorbenen Äste und das Kleinholz auf dem Boden erhöhen die Waldbrandgefahr im Sommer. „Deshalb müssen wir sehen, dass wir bis zum Beginn der Waldbrandsaison am 1. Mai möglichst viele jener Brandschneisen neu schlagen, die durch die umgestürzten Bäume blockiert wurden“, sagt Santana.

Manche hatten diesmal Glück

Der Sturm wütete auch innerhalb des besagten Dreiecks nicht gleichmäßig. Manche Fincabesitzer konnten ihr Glück kaum fassen, als sie das erste Mal ihr Land betraten. Joan Juan, der die Finca Son Torrella direkt unterhalb des Puig Major neben weiteren Landgütern im Gebirge managt, erzählt, dass bei ihm kaum etwas kaputtgegangen sei. „Wir hatten ein paar umgestürzte Bäume, eine Trockensteinmauer, die ein paar Steine verloren hat, und ein paar Zäune, die umgekippt sind. Das war’s dann aber auch schon“, sagt er.

Aber Joan Juan weiß auch, dass es diesmal Glück war und beim nächsten Mal ganz anders aussehen kann. Denn dass derartige Wetterereignisse im Zuge des Klimawandels eher häufiger werden, ist allen Beteiligten klar. Und es ist nicht nur ein Gefühl, wie Joan Santana resümiert: „Wir hatten innerhalb der vergangenen fünf Jahre fünf schwere Stürme auf den Balearen, darunter 2020 den rund um Banyalbufar. Wir werden damit in Zukunft leben müssen und können nur versuchen, in der Vorbeugung noch besser zu werden.“

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